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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Verteidigungsrede beim Prozesse habe ich erst erfahren, daß meine Tochter von Dir getrennt ist.
    Ach, das arme Kind! Ich wage nicht, ihm zu schreiben, denn es würde meinen Brief nicht erhalten; ich weiß nicht einmal, ob derselbe Dir zugehen wird.
    Nimm meinen Segen für sie!
    Ich hoffe, daß sie sich eines Tages, wenn sie erwachsen sein werden, wieder mit Dir vereinigen, und Deiner zärtlichen Sorgfalt in Frieden genießen können; mögen sie stets der Lehre gedenken, die ich ihnen immer einzuflößen suchte: daß ihre Freundschaft und ihr gegenseitiges Vertrauen ihr einziges Glück ausmachen; möge meine Tochter eingedenk sein, daß sie, durch ihr reiferes Alter befähigt, ihrem Bruder mit allen Ratschlägen beistehen soll, welche ihre Erfahrung und ihre Freundschaft ihr einflößen; mögen beide bedenken, in welche Lage sie auch kommen, daß sie nur durch Eintracht wahrhaft glücklich sein können. Möchten sie doch an uns ein Beispiel nehmen!
    Wieviel Trost hat uns unsere Freundschaft im Unglück gewählt; und des Glücks genießt man doppelt, wenn man es mit einem Freunde teilen kann; wo kann man zärtlichere und teuerere Freunde finden, als im Schoße der eigenen Familie? Mein Sohn soll niemals die letzten Worte seines unglücklichen Vaters, die ich ihm ausdrücklich wiederhole, vergessen: Er trachte niemals danach, unsern Tod zu rächen.
    Ich habe nun noch von einer Sache zu sprechen, die meinem Herzen peinlich ist; ich weiß, wieviel Mühe Dir dieses Kind machen muß. Verzeihe ihm, teure Schwester, bedenke sein zartes Alter und wie leicht es ist, einem Kinde einzureden, was man will und was es selber nicht versteht! Hoffentlich wird dereinst ein Tag kommen, wo er Deine Güte und Zärtlichkeit für ihn und seine Schwester besser zu würdigen wissen wird.
    Es bleibt mir noch übrig. Dir meine letzten Gedanken anzuvertrauen.
    Ich wollte Dir beim Beginn des Prozesses schreiben; aber abgesehen davon, daß man mich nicht schreiben ließ, war der Verlauf so schnell, daß ich auch keine Zeit dazu gehabt haben würde.
    Ich sterbe in der römisch-katholischen apostolischen Religion, in welcher ich mit meinen Brüdern erzogen wurde und zu welcher ich mich stets bekannte; ich habe keinen anderen geistlichen Trost zu erwarten, denn ich weiß nicht, ob überhaupt noch Priester dieser Religion vorhanden sind und ob sie sich nicht großen Gefahren aussetzen würden, wenn sie den Ort, wo ich mich befinde, zu betreten wagten; ich bitte aufrichtig Gott um Verzeihung für alle Fehler, die ich bei meinen Lebzeiten begangen habe.
    Ich hoffe, daß er in seiner Güte meine Seele in seinen barmherzigen Schutz aufnehmen werde; ich verzeihe allen meinen Feinden das Übel, das sie mir zugefügt haben. Ich bitte alle diejenigen, die ich kenne, und Dich, meine Schwester im besonderen, um Verzeihung für alle Mühe, die ich Euch ohne meinen Willen verursacht habe. Ich sage meinen Tanten und allen meinen Geschwistern Lebewohl.
    Ich hatte Freunde, und der Gedanke, von ihnen und ihrer Liebe für immer getrennt zu werden, verursacht mir großes Leid in meinem Tode; mögen sie hierdurch wenigstens erfahren, daß ich bis zu meinem letzten Augenblicke an sie dachte!
    Lebe wohl, meine gute und zärtliche Schwester; o möchte dieser Brief zu Dir gelangen! Denke immer an mich! Ich umarme Dich von ganzem Herzen ebenso wie jene armen, geliebten Kinder.
    Mein Gott, wie herzzerreißend ist es, sie auf immer verlassen zu müssen! Lebewohl! Lebewohl!
    Ich darf mich jetzt nur mit meinen geistigen Pflichten beschäftigen; da ich nicht über meine Handlungen frei verfügen kann, so wird man mir vielleicht einen Priester zuführen; aber ich erkläre hiermit, daß ich demselben nicht ein Wort sagen und ihn wie ein durchaus fremdes Wesen behandeln werde.«
    Als der Brief beendigt war, küßte die Königin alle Seiten desselben, faltete ihn zusammen und gab ihn an Bault, mit der Bitte, ihn Madame Elisabeth zuzustellen.
    Der Gefängniswärter antwortete ihr, daß die Erfüllung ihrer Bitte nicht von ihm abhinge und er genötigt sei, das Schreiben Fouquier-Tinville zu übergeben, der dasselbe an seine Bestimmung gelangen lassen würde.
    Die Königin blieb stumm; sie stützte ihr Gesicht in ihre Hände und verharrte einige Zeit in dieser Stellung.
    So saß sie noch, als Bault ihr meldete, daß jemand mit ihr zu sprechen wünsche; sie erhob langsam das Haupt und als sie einen schwarz gekleideten Mann erblickte, stand sie vom Bette auf.
    Bault erriet, daß die

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