Tagebücher der Henker von Paris
Frau des erbittertsten Feindes ihres Gatten und wandte alles zu ihrem Troste auf. Als sie auf den Karren steigen sollte, näherte sich ihr Dillon. Sie drückte ihr herzliches Bedauern aus, seinen Tod veranlaßt zu haben; Dillon antwortete, dies sei nichts als ein Vorwand; und zeigte sich über das Schicksal eines so jungen und reizenden Geschöpfes gerührt. Die Bürgerin Desmoulins unterbrach ihn:
»Betrachtet doch einmal mein Angesicht,« rief sie, »ob es das einer Frau ist, die des Trostes bedarf? Seit acht Tagen hege ich nur den einen Wunsch, Camille wiederzusehen; dieser Wunsch wird erfüllt werden. Wenn ich nicht diejenigen haßte, die mich verurteilt haben, weil sie den edelsten und besten der Männer mordeten, so würde ich sie für den Dienst, den sie mir heute erweisen, segnen.«
Darauf sagte sie Dillon Lebewohl, ohne Rührung und mit der Heiterkeit einer Frau, die sich von einem Freunde trennt, den sie bald wiederzusehen hofft. Dillon saß im ersten Karren, im zweiten die Bürgerin Desmoulins mit Grammont-Nourry, Lacroir, Lapalu, Lassalle und der Witwe Hébert. Während der Fahrt plauderte sie mit diesen beiden Bürgern, die sehr jung waren: Lapalu war sechsundzwanzig und Lassalle vierundzwanzig Jahre alt. Sie scherzte mit solcher Heiterkeit, daß sie jene mehrmals zum Lächeln zwang. Ihre Unterhaltung wurde durch die Tränen der Witwe Hébert und durch die beiden Grammont gestört, die sich in einen elenden Streit verwickelten: der Sohn warf dem Vater vor, er habe durch seine Ratschläge und durch sein Beispiel seinen Tod verschuldet. In seiner Angst ließ sich der junge Mann dazu verleiten, seinen Vater wie einen Schurken zu behandeln.
»Mein Herr,« sagte die Bürgerin Desmoulins zu ihm, »man behauptet, Sie hätten Antoinette, als sie zum Schafott geführt wurde, beleidigt; darüber bin ich nicht erstaunt; Sie hätten sich aber ein wenig Kühnheit aufsparen sollen, um einer anderen Majestät Trotz zu bieten: der Majestät des Todes dem Sie entgegengehen.«
Grammont, der Sohn, antwortete mit einer Beleidigung, und sie wendete sich mit Widerwillen ab. Sie stieg mutig hinauf und sah kaum bleich aus. Wie Adam Lux ging sie mit der Überzeugung dahin, daß die Seele des Geliebten sie jenseits erwarte. Dillon rief:
»Es lebe der König!«
Im Augenblick des Sterbens wollte Grammont, der Vater, seinen Sohn gerührt umarmen, aber dieser stieß ihn zurück.
25. Germinal. Heute morgen habe ich das Haar der Bürgerin Desmoulins ihren Eltern geschickt. Ich übergab das Paket einem Savoyarden, den ich von der Barrière Saint Jacques geholt hatte; ich sprach lange mit ihm, um mich zu überzeugen, daß er mich nicht kenne und ihnen den Namen dessen, der ihnen diese Reliquien überschickte, nicht nennen werde. Der Gedanke, mir Dank zu schulden, würde ihnen wahrscheinlich schrecklich gewesen sein. Übrigens mußten sie bereits einen Teil des Haupthaares ihrer Tochter besitzen, denn ich bemerkte, daß sie dasselbe schon vorn und an den Seiten verschnitten hatte.
Tagebuch
Die Parlamentsrichter und Beamten; Malesherbes, d'Espremenil; die Generalpächter; Lavoisier.
30. Germinal. Seit Dumas dem Herman im Vorsitz des Gerichtshofes gefolgt ist, werden die Urteilssprüche noch beschleunigt, was jeder bisher für unmöglich hielt. Gestern wurden siebzehn verurteilt und heute morgen nach dem Revolutionsplatze geführt. Die Haltung von zwei Dienstboten war erhaben an Selbstverleugnung und Treue, sie schienen stolz und geehrt, mit ihrer Herrschaft zu sterben, und wollten nicht darauf hören, als jene sich entschuldigten, ihren Tod verursacht zu haben.
1. Floreal. Der Gerichtshof hat diejenigen, welche im Namen der Gerechtigkeit richteten, im Namen der Revolution gerichtet, und ich führte heute dieselben Magistratspersonen, deren Urteilssprüche ich solange vollzog, zum Schafott. Ich fühlte mich tief gerührt, als ich sie, fünfundzwanzig an der Zahl, teils vom Parlament von Paris, teils von Provinzialparlamenten, vorüberkommen sah; sie gingen in einer Reihe, die Präsidenten an der Spitze, ernst und gesammelt, als wenn sie zu einer Amtstätigkeit schritten. Als sie in den Saal der Toten geführt wurden, blieb ich bestürzt vor dem Präsidenten Bochart de Sarron stehen, der mir seine Hände zum Binden hinhielt; als er meine Bestürzung sah, sprach er:
»Tue, was dir das Gesetz befiehlt! selbst das ungerechte Gesetz bleibt noch immer das Gesetz.«
2. Floreal. Die Jakobiner beschäftigten sich mit einer wichtigen
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