Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
zuerst.
    Als Camille auf die Plattform stieg, blieb er einen Augenblick vor mir stehen und fragte mich, ob ich ihm noch einen letzten Dienst erweisen wollte; ich hatte nicht die Zeit, ihm zu antworten, aber er mochte mir am Gesicht ansehen, daß er auf mich rechnen konnte; er ersuchte mich, ihm eine Haarlocke aus seiner Hand zu nehmen und sie der Mutter seiner Frau, Madame Duplessis, zu überbringen. Bei dem letzten Worte weinte er, und ich war nahe daran, ein gleiches zu tun. In diesem Augenblick zog man das Messer, welches Chabot enthauptet hatte, in die Höhe; er sah das Eisen mit Blut befleckt und sagte halblaut:
    »Das ist meine Belohnung, meine Belohnung.«
    Dann blickte er zum Himmel empor und ließ sich nach dem Fallbrett führen, während er zu wiederholten Malen den Namen Lucile nannte. Ich gab das Zeichen, und das Messer fiel.
    Fabre, Lacroir, Westermann und Philippeaur wurden nach Camille hingerichtet. Westermann rief mehrere Male:
    »Es lebe die Republik!«
    Fabre sagte zu sich selbst:
    »Wir werden zu sterben wissen!«
    Aber seine Aufregung war groß, und er hatte Mühe, sie zu bezähmen. Lacroix wollte zum Volke reden; wir hatten aber Befehl, uns dem zu widersetzen, und die Gehilfen schleppten ihn fort.
    Dann kam Hérault de Séchelles herauf und Danton mit ihm, ohne den Aufruf abzuwarten und ohne daß ihn jemand hinderte. Die Gehilfen hatten Hérault schon ergriffen, als er hinzutrat, ihn zu umarmen. Hérault, der nach dem Fallbrett gestoßen wurde, konnte ihm das letzte Lebewohl nicht sagen, und Danton rief:
    »Ihr Dummköpfe! wollt ihr verhindern, daß unsere Köpfe sich im Korbe küssen?«
    Er sah seinen Freund mit einer Kaltblütigkeit sterben, die dem menschlichen Geschlecht nicht eigen ist, nicht eine Muskel seines Gesichts verzog sich. Es schien nicht nur der Todesfurcht, sondern dem Tode selber Trotz zu bieten. Der Korb war noch nicht ausgeräumt und das Halsstück noch nicht gereinigt, als er vorschritt; ich hielt ihn zurück und nötigte ihn, umzukehren, bis man den Leichnam fortgebracht hätte; er aber zuckte verächtlich die Achseln:
    »Was tut es, ob ein wenig mehr oder weniger Blut an deiner Maschine klebt,« sprach er, »vergiß nur nicht, meinen Kopf dem Volke zu zeigen, solche Köpfe bekommt es nicht alle Tage zu sehen!«
    Als man, seinem letzten Wunsche gemäß, den Kopf Dantons um das Schafott herumzeigte, wurde gerufen:
    »Es lebe die Republik!«
    Aber dieser Ruf blieb auf die nächste Umgebung der Guillotine beschränkt. –
    Da der Magdalenenkirchhof, worauf der König, die Königin und die Girondisten liegen, durch Departementsentscheid geschlossen war, so wurden die fünfzehn Leichname der Dantonisten heute nacht nach dem kleinen Kirchhofe gebracht, den man neben der Barriere von Monyeaux in dem alten Garten für die Hingerichteten angelegt hat.
    Ich kehrte um sechs Uhr nach dem Gerichtshause zurück, um mir Befehle zu morgen einzuholen. Riviére machte ich Mitteilung über das Geschehene. Als ich über die Brücke nach Hause ging, begegneten mir die Geschworenen Desboisseaux und Vilate in Begleitung der Gemeindemitglieder Vaucannu und Langlois. Sie wollten von mir hören, wie Danton gestorben wäre. Ich erzählte, was ich gesehen hatte. Langlois unterbrach mit den Worten:
    »Das glaube ich wohl, er war besoffen wie ein Preuße.« Ich versicherte, er sei ebensowenig betrunken gewesen wie ich selber. Darauf nannten sie mich einen Verräter und riefen mir noch andere Beleidigungen nach.
Lucile Desmoulins
    17. Germinal. Ich erfüllte den Auftrag, den mir der arme Bürger Desmoulins erteilt hatte. In seiner Wohnung, Straße des französischen Theaters, gab mir der Türsteher die Adresse des Bürgers Duplessis in der Rue des Arcs. Ich hütete mich, hinaufzugehen, sondern ließ die Magd holen, ohne zu sagen, wer ich sei; ich teilte ihr mit, ich hätte dem Tode Desmoulins beigewohnt und wäre von ihm ersucht worden, dieses Medaillon seiner Schwiegermutter zu übergeben. Ich legte es in ihre Hände und ging fort. Noch hatte ich nicht hundert Schritte zurückgelegt, als ich mich rufen hörte; die Magd kam hinter mir hergelaufen und bat mich, zurückzukehren, der Bürger Duplessis wolle mich sehen; ich entgegnete, ich hätte es eilig und würde ein anderes Mal wiederkommen; in diesem Augenblicke aber kam der Bürger Duplessis selber; es war ein bejahrter, ehrwürdig aussehender Mann. Ich wiederholte, was ich der Magd erzählt hatte; er antwortete mir, ich müßte ihm noch mehr erzählen,

Weitere Kostenlose Bücher