Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
meiner Stelle wäre wieder umgekehrt.«
    Seine Töchter setzten sich in dem Karren um ihn herum; ihre Unterhaltung war sehr rührend: sie versicherten ihm, daß sie sich glücklich fühlten, mit ihm zu sterben; Malesherbes sprach mit einer Ruhe, die sich keinen Augenblick verleugnete. d'Espremenil befand sich an der Seite von le Chappelier, der gleichfalls verurteilt und im Verfassungsrate sein erbittertster Gegner gewesen war. Als wir aufbrachen,sagte Malesherbes zu jenem:
    »Mein Herr, wir werden sogleich ein schwieriges Rätsel zu lösen bekommen.«
    »Welches Rätsel denn, mein Herr?«
    »Zu erfahren, an welchen von uns beiden das Spottgeschrei des Volkes gerichtet ist.«
    »An uns beide,« antwortete d'Espremenil.
    5. Floreal. Als der König von Preußen im vergangenen Jahre in Verdun einzog, boten ihm die Einwohner die Schlüssel der Stadt dar, und Bürgerfrauen und Mädchen überreichten ihm Blumenkörbe. Die letzteren wohnten auch einem Balle bei, welchen der royalistische Magistrat dem Feinde veranstaltete, und tanzten mit den Offizieren. Wegen dieser Handlung wurden vierunddreißig Bürger und Bürgerinnen von Verdun vor das Revolutionstribunal gestellt und zum Tode verurteilt. Die beiden Schwestern Henry und die Geschwister Vatrin, welche, alle vier in Weiß gekleidet, vorn auf dem ersten Karren saßen, sangen unterwegs geistliche Lieder. Unsere Begleiter fanden keinen sonderlichen Geschmack an diesem Schauspiel; die wütenden Weiber schrien allerdings, denn je jünger die verurteilten Frauenzimmer waren, desto mehr ereiferten sie sich gegen sie, aber die Männer schienen nicht ihrer Ansicht, und ihre Galgengesichter sahen sorgenvoll aus. In solchen Fällen macht mein Schurke von Seiltänzer seine besten Affenstreiche, um den Todesgang zu erheitern; sei es nun, daß er fremde Befehle bekommen oder es aus eigenem Eifer tut. Heute erntete er jedoch keinen sonderlichen Beifall bei der Menge; dagegen lachte Helene Vatrin über jeden seiner Purzelbäume und stieß ihre Schwester Henriette mit den Worten an:
    »Sieh doch nur, Schwester, wie komisch er ist.«
    Ich glaube, wenn sie die Hände frei gehabt hätte, würde sie dem Pickelhering Beifall geklatscht haben.
    6. Floreal. Heute morgen um sieben Uhr wurden Clara Tabouillot und Barba Henry auf derselben Guillotine ausgestellt, wo gestern ihre Mutter und ihre Geschwister den Tod erlitten. Sie sollten sechs Stunden aushalten; aber nach einer Stunde wurde Barba Henry ohnmächtig, und man mußte sie losbinden, damit sie zur Besinnung käme. Clara Tabouillot sah so bleich aus, daß jeder merkte, auch sie würde in Ohnmacht fallen. Man hörte in der Menge den leisen Ruf:
    »Genug!«
    In Betracht der Umstände ist dieser Ruf ein Merkzeichen, welches das Herz eines redlichen Mannes erfreuen muß. Henri ging nach dem Gerichtshause, um Fouquier-Tinville das Vorgefallene zu berichten. Der Stellvertreter Naudin gab ihm Befehl, die jungen Mädchen loszubinden und durch die Gendarmen wieder nach dem Gefängnis bringen zu lassen. Dies geschah um halb ein Uhr.
    9. Floreal. Heute hat sich der Bürger Fouquier als Mann gezeigt; diese Tatsache ist so selten, daß ich sie in meinen Notizen vermerke. Als er durch sein unordentliches Leben gezwungen war, sein Amt als Staatsanwalt beim Châtelet-Gerichtshofe zu verkaufen, erzeigte ihm der Zivilleutnant Angrand d'Alleray einige Dienste; deren erinnerte sich Fouquier. Angrand d'Alleray war in Port-Libre verhaftet; er war ein harmloser und allgemein geehrter Greis, und man konnte vermuten, daß er übergangen werden würde. Unglücklicherweise braucht man nicht einmal einen Feind unter den Beamten des Sicherheitskomitees zu haben, sondern es ist nur nötig, daß der Name des Gefangenen einem jener Bürger mißfalle, um ihn sogleich nach der Conciergerie, das heißt nach dem Schafott, zu schicken. In diesem Falle legt der Beamte das Aktenstück so, daß es in die Augen fällt, und wenn dieses Papier drei- oder viermal den Blick der Herren Beamten belästigt hat, übergeben sie es dem öffentlichen Ankläger. Auf diese Weise war unser ehrwürdiger Zivilleutnant wahrscheinlich vor Gericht gekommen; Fouqmer zeigte aber, daß er seinen Tod nicht wollte, indem er es wagte, ihn Sellier, einem der gemäßigten Richter, zu empfehlen. Als Dumas den Angeklagten verhörte, der beschuldigt war, seine ausgewanderten Söhne unterstützt zu haben, ergriff Sellier das Wort und bemerkte, der gute Mann sei vielleicht nicht mit dem Gesetz bekannt, das

Weitere Kostenlose Bücher