Tagebücher der Henker von Paris
Mitglied des Verfassungsrates, dabei beteiligt. Man soll bei der Hexe einen an Robespierre gerichteten Brief gefunden haben, in welchem sie ihn ihren lieben Sohn nennt. Da sie sich selber die »Mutter Gottes« nennt, so konnte Vadier leicht einen passenden Schluß machen. Alle, welche ihn hörten, hatten schon begriffen, daß der Messias, der Prophet, der Erlöser kein anderer sein könne als Robespierre. Vadier wußte wohl, daß ein Gott, über den man gelacht hat, ein ziemlich kranker Gott ist; er begnügte sich daher, den Konvent durch die Erzählung von dem Verfahren jener Narren und Närrinnen zu erheitern; er erzählte von den sieben Küssen, welche die Adepten der Mutter Gottes auf das Kinn geben und dafür sieben Gaben empfangen, von den Kniebeugungen der Aufzunehmenden usw.
Man hörte den Bericht mit rauschendem Beifall und erklärte sich einstimmig dafür, daß derselbe gedruckt und an alle Gemeinden der Republik geschickt würde. Catharina Theot, Dom Gerle, Quesormont, der Arzt von d'Egalité, die ehemalige Marquise von Chastenois, Marie Madeleine Amblard, die Witwe Godefroid, alle Anhänger der Sekte, sind vor das Revolutionstribunal gestellt worden. Dies ist der schärfste Angriff, den Robespierre bisher erlitten hat; wir wollen sehen, wie er ihn abwehren wird.
5. Messidor. Vom 1. bis zum 4. Messidor wurden zweiundneunzig Verurteilte hingerichtet.
Unsere Toten setzen alle Lebenden in der Umgegend, wo wir sie begraben, in Schrecken. Die Bewohner der Sektion Montreuil, wohin wir sie jetzt schicken, beklagen sich ebenso, wie sich die Bürger von Madeleine und von Batignolles beklagt haben, und da sie kein Blatt vor den Mund nehmen, werden ihre Beschwerden eher berücksichtigt werden als die ihrer Vorgänger. Die Eleven im Salpètre, welche in der ehemaligen Margaretenkirche arbeiten, haben erklärt, der Pestgeruch würde so unerträglich, daß, wenn man die Körper noch länger auf dem engen Kirchhofe, welcher die Werkstätten umgibt, beerdigte, eine unvermeidliche Epidemie unter ihrem Personal ausbrechen würde. Nach vielem Schwanken und Hin- und Herreden hat die Gemeinde einen besonderen Platz zur Aufnahme der Leichname der Hingerichteten angewiesen: es ist der Garten des ehemaligen Klosters der Stiftsdamen von Picpus. Man hat eine lange und breite Grube angelegt, wie man solche auf den Schlachtfeldern zu graben pflegt. Die heute Hingerichteten sind zuerst hineingekommen.
8. Messidor. Die übrigen Gefangenen von Bicêtre, welche von Valagnos' Anzeige betroffen wurden, sind heute hingerichtet worden. Unter ihnen befand sich der ehemalige Volksrepräsentant Osselin. Derselbe hatte in einem Häuschen in der Umgegend von Marly eine emigrierte Frau, Madame Charly, versteckt gehalten; diese großmütige Handlung kostete ihm erst die Freiheit, dann das Leben. Er hatte die Unvorsichtigkeit begangen, sein Geheimnis einem Elenden, den er für seinen Freund hielt, anzuvertrauen. Als dieser bei Madame Charry eingeführt wurde, verliebte er sich in die schöne Geächtete und forderte für sein Stillschweigen einen Preis, der die junge Frau empörte; sie wies seine Anträge zurück, und am anderen Morgen drang die bewaffnete Macht in ihren Zufluchtsort: sie wurde verhaftet, vor das Tribunal geführt und guillotiniert.
Das Gesetz, welches den mit dem Tode bestraft, der einem Verurteilten ein Asyl einräumt, war noch nicht erlassen. Osselin wurde zu zehn Jahren in Eisen verurteilt, in das Gefängnis von Bicêtre geworfen und mit der Hefe der Verbrecher zusammengebracht. Durch seine frühere Stellung und namentlich durch seine Verbindung mit der Partei Dantons wurde er denjenigen auffällig, welche in den Gefängnissen aufzuräumen unternommen hatten; er mußte eine Rolle unter den Verschworenen spielen, die – nach Fouquiers Versicherung – die Herzen der Komiteemitglieder auf den Bratspieß stecken und zum Abendbrot zubereiten wollten. Er war entschlossen, sich der Hinrichtung zu entziehen, und es gelang ihm, einen großen Nagel aus einem Balken in seinem Kerker zu ziehen, den er sich gestern früh dreimal in die Eingeweide stieß, ohne daß es ihm gelang, sich zu töten. Der Arzt in der Conciergerie hatte eine Anwandlung von gesunder Vernunft und Menschlichkeit, die allerdings nicht zu lange anhielt. Als man Osselin abholen wollte, um ihn nach dem Tribunal zu führen, stellte der Arzt vor, es sei eine unnütze Barbarei, denn die drei Wunden, welche Osselin im Bauche hätte, verurteilten ihn schon sicherer zum
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