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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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zeigte; ein dritter, weil er der Gemahl einer Frau war, die der galante Boyenval angenehm fand: alle, weil sie den geheimen, aber nicht sehr strafbaren Wunsch hegten, nicht im Gefängnis zu verfaulen oder unter der Guillotine zu sterben.
    Das nennt man Geschichte, und man glaubt zu träumen, indem man sie niederschreibt.
    Als die Zahl der Verschwörer sich auf hundertvierundfünfzig belief, hielt man inne: die Totalsumme schien genügend für eine erste Probe, und Boyenval und seine Freunde hatten den guten Willen, ein Weiteres auf die Zukunft zu versparen. Die so entworfene Liste wurde im Namen des Wohlfahrtskomitees und des Bureaus der allgemeinen Polizei, welchem Herman vorstand, unmittelbar Fouquier-Tinville zugefertigt, ohne weder der Kommission des Louvre noch dem Sicherheitskomitee mitgeteilt worden zu sein.
    Zu jener Zeit hatte der solide Fouquier Anfälle von Schwäche, die allerdings rein nervöser Natur waren. Einige Tage vorher erzählte er einem Mitgliede vom Komitee, als er aus den Tuilerien gekommen, habe es ihm geschienen, als ob die Seine aus blutigen Fluten bestände; und während er sprach, bemerkte sein Zuhörer, daß er bleicher als ein Gespenst aussah und sein Haar sich auf dem Kopfe emporsträubte. Litt er an einem Anfalle von Wahnsinn? oder wollte er seinen Meistern boshafterweise die famosen Motive, die man bei dem Urteil der Gefangenen von Bicêtre ausgesprochen, wieder vorhalten, als er in bezug auf die Verschwörung vom Luxembourg den Gedanken faßte, die Hundertvierundfünfzig mitsammen zu richten und zu diesem Zwecke in dem Saale der Freiheit eine ungeheure Stufenestrade zu erbauen, die sich bis zur Decke erheben sollte? Das Wohlfahrtskomitee, in welchem bei Robespierres Abwesenheit Couthon die Gewalt des Triumvirats zur Geltung brachte, forderte Fouquier-Tinville vor und befahl ihm, auf seine Estrade zu verzichten.
    Die »Verschwörer« des Luxembourg wurden von Herman in drei Klassen geteilt, die in drei Sitzungen gerichtet werden sollten.
    Die erste erschien am 19. Messidor vor Gericht; sei es nun, daß Fouquier den Vorwurf, den ihm die Robespierristen machen konnten, austilgen wollte, sei es, daß Hermans Beispiel seinen Eifer angestachelt hatte, so hat doch niemals, selbst nicht vor dem Revolutionstribunal, ein Verfahren unter solcher Mißachtung der gewöhnlichen Billigkeit stattgefunden. Es ist ein Angeklagter namens Maurin, dessen Vornamen nicht mit denen, die der Gerichtsschreiber liest, übereinstimmen. Er tut Einspruch. Fouquier liest die Anklageschrift, ändert sie und verlangt, daß der Maurin, der im Verhör anwesend ist, unter Anklage gestellt werde. Einen Schließer namens Lesenne läßt er wegen falschen Zeugnisses einkerkern, weil er mutig erklärt hat, die Verschwörung bestände nur in der Einbildung der Ankläger. Diese Ankläger werden aufgerufen; ihr Zeugnis stimmt um so besser überein, da es falsch und im voraus abgekartet ist. Neunundfünfzig Angeklagte saßen auf den Bänken, neunundfünfzig wurden zur Guillotine geschickt, darunter ein Greis von achtzig Jahren.
    Der zweite Schub wurde am 21. Messidor abgefertigt. Derselbe bestand aus fünfzig Angeklagten. Die Sitzung hatte das Merkwürdige, daß zwei der Überführten freigesprochen wurden; der eine derselben war freilich ein Kind von vierzehn Jahren. Unter den Verurteilten befand sich die Familie Malessy, aus Vater, Mutter und Tochter bestehend. Diese Tochter, die Marquise von Bois-Bérenger, deren Gemahl im Jahre 1791 ausgewandert war, hatte sich scheiden lassen, um sich die ihr zugehörigen Güter zu erhalten; dieses Zugeständnis, welches sie der damaligen Gesetzgebung gemacht, sicherte sie nicht vor der Ächtung; als verdächtig verhaftet, wurde sie mit ihrer Familie im Luxembourg-Gefängnis vereinigt. Sie waren alle in Boyenvals Anzeige mit einbegriffen; infolge einer Nachlässigkeit des Gerichtsschreibers aber empfing Frau von Bois-Bérenger keine Anklageschrift. Anstatt sich über die Hoffnung, noch leben zu können, zu freuen, geriet sie in Verzweiflung, das Schicksal ihrer Geliebten nicht teilen zu können. Als ihr endlich das verhängnisvolle Papier zugestellt wurde, sank sie ihrer Mutter mit den Worten in die Arme:
    »Gott sei Dank! Liebe Mutter, wir werden zusammen sterben!«
    Diese mutige Begeisterung verließ sie selbst auf dem Schafott nicht.
    Die dritte Klasse der »Verschwörer« vom Luxembourg wurde am folgenden Tage, dem 22. Messidor, gerichtet. Zu dieser gehörte Leclerc de Buffon, der

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