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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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nahen Tode als alle Beschlüsse des Tribunals. Letzteres aber verzichtete nicht gern auf den einzigen Kopf, welcher der dunklen Ernte aus Bicêtre einiges Licht verlieh; Liendon bestand darauf; man brachte Osselin nach dem Verhörzimmer, und Dumas war bereit genug, sein Stöhnen für Antworten zu nehmen. In dem Augenblicke, wo man ihn ins Vorzimmer der Kanzlei trug, wurde er ohnmächtig. Man ließ ihn Essig einschlürfen, wodurch er wieder zu sich kam; als sich seine Augen wieder öffneten, richteten sie sich mit schmerzlichem Erstaunen auf seine Umgebung, und er sprach:
    »Wie, wird denn dieser Tod nicht kommen?«
    Er versuchte seine Hände, die ein Gehilfe festhielt, loszumachen, um sich den Verband von der Wunde zu reißen.
    Der Arzt, der ihn behandelte, sagte:
    »Seid ruhig, es ist weit von hier bis zur Guillotine, und wenn nicht ein Wunder geschieht, werdet Ihr dort ankommen, ohne noch Unannehmlichkeiten mit ihr zu haben.«
    Diese Weissagung wurde nur zur Hälfte verwirklicht. Als wir unten ankamen, gab Osselin, den man auf einer Matratze in den Karren gelegt hatte, kein Lebenszeichen; sein Auge war gläsern, seine Lippen bleich, sein Mund stand weit offen. Ich hielt ihn für tot und befahl Desmorets, eine Decke über den Leichnam zu werfen und ihn im Karren zu lassen; aber der Arzt, der uns begleitet hatte, bestand darauf, daß er noch lebe und das Urteil vollzogen werden sollte. Als ich mich dagegen auflehnte, sprach er:
    »Dummkopf, wenn er tot ist, so kommt es nicht darauf an, wenn er mit dem Kopfe unter dem Arme in der anderen Welt anlangt; lassen wir ihn aber liegen und er kommt zufällig wieder zum Leben zurück, so werden wir beide sicherlich Unannehmlichkeiten davon haben.«
    Man trug ihn auf das Fallbrett; als aber das Messer fiel, zitterte keine Fiber an ihm, und was auch der Arzt behaupten mag, ich bin doch überzeugt, daß wir einen Leichnam geköpft haben.
Die Verschwörungen in den Gefängnissen
Das St.-Bartholomäus-Gericht hat seinen Gipfel erreicht.
Die Prozesse des Luxembourg, der Karmeliter, von Saint Lazare; Baron v. Trenck.
    Jenes schauerliche Hilfsmittel, der Schrecken genannt, hatte alle Vervollkommnung, deren es fähig war, erhalten. Sein Personal von Angebern, Lieferanten, Richtern, Geschworenen, Anklägern und Exekutoren wirkte mit an dem Werke, mit der unerschütterlichen Regelmäßigkeit eines metallenen Räderwerks, und das Ganze ging seinen Gang mit der Unempfindlichkeit einer Maschine.
    Diejenigen aber, welche dieser Maschine ihre Bewegung erteilt hatten, erlagen ihrerseits dem Schwindel, in welchen sie Frankreich zu versetzen beabsichtigt hatten. Weder Wachen noch Höflinge verhinderten die neuen Tyrannen, in unmittelbaren Verkehr mit dem Volke zu treten. Die Gefühle und Meinungen der Menge konnten ihnen nicht entgehen; sie mußten folglich erfahren haben, daß dem Abscheu das Mitleid folgen werde. Ihr Gewissen blieb ohne Zweifel nicht stumm, sondern sprach vielleicht noch deutlicher als die Spione; aber das Blut hat seinen Rausch wie der Wein, einen viel schrecklicheren Rausch. Die Männer von 93 konnten jenem Wahnsinn nicht entrinnen, der den Mörder antreibt, den Körper noch einmal zu treffen, den sein Dolch bereits zum Leichnam gemacht; eine innere Stimme sagte ihnen, daß sie die Stunde zur Rückkehr an dem Tage versäumt hätten, wo sie gestatteten, daß die Köpfe Dantons und Desmoulins' fielen. Auf dem verhängnisvollen Abhange fortgestoßen, folgten sie dem Antriebe, geblendet und betäubt, indem sie den Fall errieten, den Abgrund ahnten, aber beständig von einer Zerstörungswut beherrscht wurden, die nur einem Gefühl Raum ließ: dem Entsetzen!
    Für diese wütenden Konventmitglieder, vor welchen Europa bereits ein Knie gebeugt hatte, gab es eine noch viel schrecklichere Drohung als den Schrei ihrer Gewissen, als den Unwillen der öffentlichen Meinung; diese Drohung war die Abwesenheit Robespierres.
    Der Mann im blauen Rock, der Wirt des Hauses Duplay, dieser anscheinend so demütige und doch so furchtbare Mann, besuchte nicht mehr die Salons des Komitees; er erschien auch nicht mehr im Konvent und zeigte sich nur von Zeit zu Zeit bei seinen getreuen Jakobinern. Er war seiner Herrschaft so gewiß, daß er nur sein Haupt abzuwenden brauchte, um diejenigen, die von seinem Blicke gemieden wurden, zittern zu machen, daß sie in ihren Träumen die Schatten von Danton, Camille, Fabre, Hébert, Chaumette und vielen anderen erblickten, die gestorben waren, weil Robespierre

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