Tagebücher der Henker von Paris
ihren Tod gewollt hatte.
Was wollte er? Was verlangte er? Nach welchem Ziele sollte man, seinem Willen gemäß, schreiten? Sollte man ihm noch einmal die Köpfe der dreiundsiebzig Girondisten bieten, die den 31. Oktober überlebt hatten, und die er bereits großmütig abgelehnt? Sollten diejenigen, welche seiner Politik auf dem Berge gedient hatten, ihm aber auch in seinem Patriotismus gleichkommen und ihn in seiner Strenge übertreffen wollten, sich als gehorsame und ergebene Opfer unter die Räder seines Triumphwagens werfen? Von wo wollte er den neuen Tribut von Köpfen, den man ihm schuldete, nehmen? Von der rechten oder der linken Seite des Konvents?
Dies war das Rätsel, welches Robespierres Zurückhaltung aufgab. Man suchte die Lösung dazu in den Sitzungen der vereinigten Mitglieder der Versammlung. Jeder von ihnen suchte es noch im nächtlichen Halbschlummer aufzuklären, ohne daß es einem gelang.
Dieser Zweifel war erschreckend und noch schwerer als eine unmittelbare Proskription zu ertragen.
Die Beschlüsse und das Benehmen der Komitees mußten unter der Besorgnis, welche dieser Zweifel in den Gemütern erweckte, leiden; dieser Besorgnis muß man es ebensowohl wie den oben angedeuteten Grundsätzen der sittlichen Ordnung zuschreiben, daß sich die Hinrichtungen während der Monate Messidor und Thermidor so außerordentlich vermehrten.
Weit entfernt, die Geheimnisse von Robespierres Politik ergründet zu haben, glauben sie das Heil in jenem Gesetze vom Prairial zu finden, in jener zweischneidigen Waffe, welche die Triumvirn nur in ihre Hände legten, in der Hoffnung, daß sie sich die Finger damit zerschneiden würden: sie verlangen den strengsten Vollzug desselben. Vielleicht hoffen einige von ihnen, wie Amar und Vadier in dem Prozeß der Rothemden, daß das vergossene Blut über die wirklichen Urheber des Metzeleigesetzes kommen werde; aber die übrigen, wie Billaud-Varennes, Voulland, Collot und andere, bleiben der Überzeugung, daß es keinen sichereren Verbündeten gäbe als den Tod, daß der Sieg denjenigen gehören müsse, die, indem sie die blutige Fahne des Schreckens so weit wie möglich in den Vordergrund pflanzen, der Revolution die meisten Pfänder gegeben haben; sie beeifern sich, die Listen zu vermehren, welche ihnen jenes Komitee des Louvre zustellt, das jeden Tag die Hekatombe für den folgenden Morgen auswählt.
Die Partei von Robespierre, welcher dieser wahrscheinlich seine Absicht gar nicht mitgeteilt hat, kann ihrerseits nicht darein willigen, sich übertreffen zu lassen. Die einen wie die anderen überlassen sich einem schrecklichen Wetteifer in patriotischen Überschreitungen, und die unglücklichen Verdächtigen müssen die Kosten davon tragen; die Köpfe der letzteren sollen demjenigen, der die Partie verlieren oder gewinnen wird, als Spielmarken dienen. Den Prozeß von Bicêtre, den das Sicherheitskomitee ins Werk gesetzt hatte, erwidern die Robespierristen mit dem Prozeß des Luxembourg; der Zahl vierundsiebzig setzten sie hundertfünfundvierzig entgegen; gegen die durch vorhergegangene Verurteilung gebrandmarkten Leute haben sie ehrwürdige Magistratspersonen, Adlige, Priester, vornehme Herren, echte Aristokraten aufzubieten.
Der süßliche Herman übernahm die Aufgabe, die Verschwörung auszuarbeiten und so viel Blut als möglich daraus zu pressen. Einer der Verwalter des Luxembourg, Wiltcherich, der nicht erst sein Probestück abzulegen, sondern schon die große Verschwörung von Dillon und der Ehefrau Desmoulins' zurechtgemacht hatte, half ihm treulich bei seiner Aufgabe. Wiltcherich verband sich mit untergeordneten Mitarbeitern: einem Hauptmann Boyenval, den die Revolutionsarmee als unwürdig ausgestoßen hatte; einem gewissen Beausire, einem Pamphletschreiber, der nur durch die traurige Berühmtheit seiner Frau, der Oliva, im Halsbandprozeß berühmt geworden war; einem Kerkermeister namens Verney; einem ehemaligen Adjutanten von Cartaux, namens Amans, einem wahren Galgenstrick. Zu einer Beratung versammelt, trafen die vier Räuber ihre Auswahl. Es sind nicht nur ehemalige Namen von Bedeutung und ehemalige Rangstufen, welche die Schuldigen für die rächende Anzeige jener ehrlichen Bürger kennzeichnen, es ist auch der Haß, die Laune oder ein verliebtes Phantasiestück. Der eine ist ein Verschworener, weil er sich geweigert hat, mit dem Schurken aus einer Tabaksdose zu schnupfen; ein anderer, weil er sich gegen den Gefängnisschließer nicht großmütig genug
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