Tagebücher der Henker von Paris
Blumenstrauß für die Tante zu pflücken; ohne meine Antwort abzuwarten, warfen sie sich in die Ähren. Ich setzte mich an den Abhang des Grabens, und sie liefen weiter. In der Hecke sahen sie wilde Rosen und wollten ihren Blumenstrauß damit vermehren; aber diese Blumen ergaben sich nicht wie die Mohnblumen, und sie erreichten ihren Zweck erst, nachdem sie sich die Finger an den Dornen zerstochen hatten. In diesem Augenblicke sah ich einen Bürger des Weges kommen, von einem großen Hunde gefolgt. Dieser Bürger betrachtete die Kinder und half ihnen bereitwillig. Er pflückte die Blumen, nach denen sie Verlangen hatten, teilte sie zur Hälfte und gab jedem der Kinder einen Teil. Ich sah, wie die Kleinen den Bürger küßten. Plaudernd und lachend näherten sich alle drei meinem Platze. Da erkannte ich ihn. Er trug einen blauen Rock, aber von dunklerer Farbe als am Zwanzigsten dieses Monats, ein gelbes Beinkleid und eine weiße Weste. Sein Haar war mit einer gewissen Zierlichkeit aufgebunden und gepudert. Den Hut hatte er auf ein Stöckchen gesteckt, das er über der Schulter trug. Seine Haltung war sehr steif; er hielt den Kopf ein wenig nach hinten über; seine Gesichtszüge hatten aber einen Ausdruck von Heiterkeit, der mich in Erstaunen setzte. Er fragte mich, ob dies meine Kinder seien. Ich antwortete, sie wären meine Nichten; er wünschte mir Glück über diese artigen Kinder und richtete nach diesem Kompliment wieder Fragen an die Kleinen. Marie machte einen kleinen Blumenstrauß und überreichte ihm denselben; er nahm ihn, steckte ihn in ein Knopfloch und fragte sie nach ihrem Namen, um sich, wie er sagte, daran erinnern zu können, wenn die Blumen verwelkt sein würden. Das arme Kind begnügte sich nicht mit seinem Taufnamen, sondern sagte ihm auch den anderen. Oh, ich habe nie eine auffallendere Veränderung in einem menschlichen Gesicht gesehen! Er fuhr auf, als hätte er auf eine Schlange getreten, und seine Stirn wurde von tausend Runzeln verdüstert. Er richtete unter seinen zuckenden Augenlidern einen starren Blick auf mich; seine blasse Gesichtsfarbe wurde erdfahl; er lächelte nicht mehr, eine schmale, fast unbemerkbare Linie kennzeichnete nur die Stelle seines Mundes und verlieh seinem Antlitz den Ausdruck unbeschreiblicher Härte. In barschem Tone und mit einem Hochmute, den ich bei dem Apostel der Gleichheit nicht erwartet hatte, begann er:
»Du bist ein – –«
Ich bückte mich, und er sprach seinen Satz nicht zu Ende. Einige Augenblicke blieb er in tiefes Nachdenken versunken; ich glaubte mehrmals, daß er sprechen wollte; er kämpfte sichtlich mit einem Widerwillen, den er nicht zu beherrschen vermochte. Endlich bückte er sich zu den Kindern nieder, umarmte sie mit großer Zärtlichkeit, rief seinen Hund und entfernte sich schnellen Schrittes, ohne mich anzusehen. Ich kehrte grübelnd heim, indem ich mich fragte, ob man über den Schrecken eines Menschen, der sich vor dem Beile, womit er tötet, entsetzt, lachen oder weinen müsse. Vielleicht dachte er auch, als er mich sah, an Dantons Verwünschungen.
Ränke um Robespierre
Der Prozeß der »Mörder Robespierres«; die Saint Amaranthe; die »große, rote Messe«; Ladmiral, Cecile Rénault; Collot d'Herbois, Vadier, die Wahrsagerin; die Gefangenen von Bîcetre.
Robespierre predigt zwar bei den Jakobinern gegen die Duldsamkeit, hütet sich aber wohl, in einer Sitzung zu erscheinen, wo das künftige Kontingent der Guillotine aufgestellt wird; mit anderen Worten, er überläßt seinen Amtsgenossen das ganze Gehässige der Rolle der Ächter und ist darauf bedacht, eines Tages seine Hände rein von allem vergossenen Blute zeigen zu können. Aber jene haben seine Taktik erraten; zuerst erschraken sie, dann suchten sie die Waffen, die er ihnen zu ihrem Verderben überlassen hatte, gegen ihn zu kehren. Sie machten mit dem Prozeß, den man den Prozeß der Mörder Robespierres nennt (als ob Collot nicht ebensogut wie er getroffen worden wäre!), ein ungeheures Aufsehen; während sie ihn durch die aufsehenerregende Hinrichtung seiner Mörder als einen darstellten, der nach der Allgewalt strebt, versuchten sie zu gleicher Zeit den Ruf, der die Stärke des Unbestechlichen ausmacht, zu untergraben.
Sie verwickelten in diese Angelegenheit zwei Frauen, die Saint Amaranthe, mit welchen der jüngere Robespierre in Verbindung stand, und ließen verschiedene Gerüchte verbreiten. Die eine dieser Frauen soll Maximilians Mätresse gewesen sein und dieser
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