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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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darauf beschränkt, die Handlung zu leiten und zu beaufsichtigen, ohne selbst Hand anzulegen.
    Auf diese Weise hatte ich als Zuschauer am 2. Februar 1816 der Hinrichtung eines Unglücklichen beigewohnt, eines gewissen Magloire, welcher das erste Opfer der Prevotalhöfe wurde. Eine seltsame Gerichtsbarkeit, die, wenn sie länger tätig gewesen wäre, das Gegenstück zu dem Revolutionstribunal gebildet haben würde.
    Magloire war überwiesen, auf der Straße von Paris nach Saint-Denis einen nächtlichen Raub mit bewaffneter Hand versucht zu haben, und wurde von dem Prevotalhofe des Seinedepartements zum Tode verurteilt und binnen vierundzwanzig Stunden hingerichtet. Der Gedanke an eine so schnelle und unverzügliche Gerechtigkeit erregt Schaudern.
    Ich war auch Zeuge der Hinrichtung der: Pleignier, Carbonneau und Tolleron, die wegen einer Verschwörung gegen das Leben des Königs Ludwig XVIII. zum Tode der Vatermörder, durch Abhauen der Hand verschärft, verurteilt worden waren. Obgleich ich nur als Zuschauer anwesend war, hatten diese barbarischen Auftritte doch mein Inneres umgekehrt; bis dahin war ich, ich wiederhole es, in keiner Weise bei dem schrecklichen Amt unserer Familie tätig gewesen.
    Das am 13. Januar 1819, in dem Augenblick, als mein Vater zwischen Tod und Leben schwebte, gefällte Todesurteil gegen Foulard erfüllte mich mit trüben Ahnungen. Ich vermutete, daß meine verhängnisvolle Stunde schlagen würde.
    Ein in Versailles in Garnison stehender königlicher Gardejäger namens Pierre Charles Rodolphe Foulard hatte zwei Frauen ermordet, um ihnen eine erbärmliche Uhr und ein Paar goldene Ohrringe zu stehlen. Obgleich die Geschworenen die Frage des Vorbedachts verneint hatten, wurde dieser Unglückliche nichtsdestoweniger zum Tode verurteilt, und trotz seines jugendlichen Alters – er war kaum zwanzig Jahre alt – war das Verbrechen doch von so empörenden Umständen begleitet, daß sich nicht hoffen ließ, die königliche Gnade würde die Strafe mildern. Es hing also alles von dem Kassationshofe ab, welcher nicht über die Rechtsgründe zu entscheiden hat, sondern nur die Urteile wegen Formfehler kassiert, und man weiß, daß dies, namentlich zugunsten des Verbrechers, sehr selten stattfindet.
    Am 12. Februar erfuhr ich, daß der Kassationshof Foulards Appellation verworfen habe, und Dienstag, am 16., erhielten wir den Befehl, am nächsten Tage die Hinrichtung zu vollstrecken. Mein Vater befand sich erst seit einigen Tagen in der Genesung. Obgleich er sich kaum aufrechterhalten konnte, verriet er doch die Absicht, seinem schmerzlichen Amte selber vorzustehen. Es war keine Zeit mehr, einen Amtsgenossen aus der Provinz zu berufen, der auch, wie sich wohl einsehen läßt, einen derartigen Dienst höchst ungern geleistet haben würde. Fast alle wußten, daß ich zum Nachfolger meines Vaters auf einem Posten, den die Mehrzahl beneidete, bestimmt sei, und sie würden sicherlich Widerspruch erhoben haben, wenn man sie aufgefordert hätte, mir ein Amt zu ersparen, das sie selber gern bekleidet hätten.
    In Betracht aller dieser Gründe wollte mein armer Vater die übermenschliche und heldenmütige Anstrengung auf sich nehmen und sich selber nach dem Grèveplatze schleppen; das durfte ich nicht leiden. In den Augen meiner Mutter hatte ich gelesen, was ich selber wußte, daß, wenn ich schwach genug wäre, in dieses Opfer zu willigen, mein Vater nur erschöpft an dem Orte der Hinrichtung ankommen und nur zurückkehren würde, um sich auf sein Totenbett zu legen.
    Es war also keine Zeit zu weiteren Bedenken; ich mußte mich in mein Schicksal ergeben und das lange Noviziat, durch welches ich mich zu der dornenvollsten Laufbahn vorbereitet hatte, verlassen. Mein Entschluß war in einem Augenblicke gefaßt. Sobald der Befehl zu der Hinrichtung anlangte, begab ich mich in das Zimmer meines Vaters.
    »Ich komme, um deine Befehle und Anweisungen für morgen entgegenzunehmen«, sagte ich beim Eintreten in so natürlichem Tone, als ich vermochte, indem ich das Zittern meiner Stimme zu verbergen suchte.
    Er sah mich mit erstaunten Blicken an.
    »Weshalb, Heinrich, willst du dich so binden, mein Freund?« antwortete er. »Ich bin jetzt hergestellt und kann sehr gut meiner Pflicht nachkommen. Ich habe niemals daran gedacht, daß du bei meinen Lebzeiten diese Last auf dich nehmen solltest; es wird schon genug für dich, armes Kind, sein, wenn du es nach mir tust.«
    »Deine Güte verblendet dich, lieber Vater, und läßt

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