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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Mut und Ergebung voranzugehen. Außerdem will ich nicht, daß einer diese Welt mit dem Gedanken verlasse, daß ich ihn überleben könnte.«
    Mein Vater bemerkte ihm, die Ordnung der Hinrichtung sei festgestellt, und demgemäß müßte er zuletzt sterben.
    »Pah,« entgegnete Georges, »man ist zu sehr bemüht gewesen, mich gänzlich zu begnadigen, als daß es möglich wäre, mir meine einzige Bitte abzuschlagen.«
    In der Hoffnung, diesen Wunsch erfüllen zu können, benutzte mein Vater die lange Zeit, welche zur Zurichtung einer so großen Zahl Verurteilter nötig war, um Georges Bitte durch den Gerichtsschreiber, welcher das Urteil vorgelesen hatte und das Protokoll über die Hinrichtung führen sollte, an den Oberrichter gelangen zu lassen. Er brachte nur einen ablehnenden Bescheid; man gestattete demjenigen, dem man das Leben angeboten hatte, nicht, den Augenblick seines Todes zu wählen. Der rauhe Häuptling der Parteigänger mußte sich darein schicken. Während man ihm die Hände band, sagte er zu seinen Gefährten:
    »Wir haben die Blauen oft genug geschlagen, um ein Recht auf Soldatentod zu haben; aber es darf uns nicht reuen, wenn wir uns erinnern, daß das Schafott, welches wir betreten sollen, durch das Märtyrertum unseres Königs geweiht worden ist!«
    Ehe er die Conciergerie verließ, bat er seine Kameraden, ihn zu umarmen. Alle gehorchten. Diese rauhen Gesichter bekamen beim letzten Abschiede von ihrem geliebten Führer einen milderen Ausdruck, einige Augen wurden feucht. Als dies geschehen war, sagte er zu ihnen:
    »Und jetzt handelt es sich darum, den Parisern zu zeigen, wie Christen, Royalisten und Bretagner sterben.«
    Er winkte seinem Beichtiger, ihm den Arm zu reichen, und ohne den Befehl des Scharfrichters abzuwarten, kommandierte er: »Marsch!« mit solcher Lebhaftigkeit, als ob es sich darum handelte, eine Schanze zu stürmen. Er befand sich mit seinem Vetter Pierre Cadoudal auf dem ersten Wagen; Picot, sein Diener, und Coste Saint-Victor, Roger, Soyant, Burban, Lemercier saßen auf dem zweiten, Lelan, Merille, Deville auf dem dritten.
    Coster Saint-Victor erregte nicht weniger Teilnahme als sein Häuptling. Seine Schönheit, seine stolze Miene, seine Eleganz und das große Vermögen, welches man ihm zuschrieb, machten ihn zum Löwen des Prozesses. Das Publikum hatte sich zuletzt für den Verschwörer begeistert, und während des Zuges vernahm man aus der Menge wiederholte Äußerungen des Mitleids.
    Georges war, seitdem man ihm seine letzte Bitte abgeschlagen hatte, düster und schweigsam geworden und betete unterwegs unaufhörlich. Er sah, ohne ein Wort zu sagen, alle seine Gefährten absteigen, selbst Coster Saint-Victor, der, als er zuletzt vor ihm das Schafott betreten sollte, ihn noch einmal umarmte und beim letzten Kusse sagte:
    »Leben Sie wohl, mein General!«
    Georges ließ ihn gewähren, zuckte aber die Achseln, wie über ein Zeichen der Schwäche. Dann, als das schöne Haupt seines jungen Mitschuldigen gefallen war, stieg er langsamen, aber festen Schrittes die Stufen des Schafotts hinauf und rief, auf der Plattform angelangt, mit weithin tönender Stimme:
    »Kameraden, ich folge euch! Es lebe der König!«
    Nach diesem letzten Opfer entstand ein Augenblick der Verwirrung. In Betracht der vielfachen Hinrichtungen waren die Vorkehrungen sehr mangelhaft getroffen. Als Cadoudals Kopf fiel, war der mitgebrachte Korb schon gefüllt. Der kolossale Leichnam des ritterlichen Mörders blieb länger als eine Viertelstunde auf dem Schafott liegen, während mein Vater Leinwand kaufen ließ, um ihm ein besonderes Leichentuch zu machen.
    Dieses letzte Zeichen der Achtung war vielleicht für einen Mann nicht unangemessen, der mit den Königsmördern des Konvents, den zaghaften Mördern des Konsulats, der Restauration, der Juli-Monarchie und des zweiten Kaiserreichs nicht in gleiche Reihe gestellt werden darf.

Meine eigenen Erinnerungen
Meine erste Hinrichtung
    Seit meiner Heirat hatte ich es auf mich genommen, meinen Vater bei den wenigen stattfindenden Hinrichtungen zu begleiten, war jedoch ein stummer, untätiger Zeuge am Fuße des Schafotts geblieben, nicht ohne mit lebhaftem Widerwillen zu kämpfen; eine tätige Rolle hatte ich bei diesen blutigen Schauspielen bisher nicht übernommen. Ich muß übrigens gestehen, daß dies mein Vater ebensowenig getan; er hatte mich nicht getäuscht, als er mir sagte, die Gehilfen seien fast die einzigen handelnden Personen und der Scharfrichter sei

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