Tagebücher der Henker von Paris
Polignac fragte, ob er seiner Verteidigung noch etwas hinzuzufügen hätte, vergaß dieser die Verurteilung, die ihm selber drohte, und bestrebte sich nur, den Gerichtshof zugunsten seines Bruders anzuflehen, indem er bat, auf dessen Jugend Rücksicht zu nehmen und sich mit seinem Opfertode zu begnügen.
Am Eingang der letzten Sitzung ergriff Julius von Polignac das Wort, und es begann der rührendste Streit zwischen den beiden Brüdern.
»Da ich gestern«, sagte Julius, »von der Rede meines Bruders zu tief gerührt war, so konnte ich dem, was zu meiner eigenen Verteidigung vorgebracht worden, nur eine vorübergehende Aufmerksamkeit schenken; da ich heute in einer ruhigeren Stimmung bin, so bitte ich Sie, meine Herren, daß Sie die Wünsche, welche mein großmütiger Bruder in bezug auf mich ausgesprochen, nicht zu sehr berücksichtigen mögen. Ich wiederhole es im Gegenteile und mit größerem Rechte, daß, wenn einer von uns unterliegen soll und es noch Zeit ist, Sie ihn retten mögen. Geben Sie ihn seiner weinenden Gattin wieder, ich habe keine. Gleich ihm verstehe ich dem Tode Trotz zu bieten; sollte ich das Leben bedauern, da ich noch zu jung bin, um mit demselben zu kämpfen?«
»Nein, nein,« rief Armand, seinen Bruder umarmend, »hören Sie nicht auf ihn, meine Herren. Du hast noch eine Laufbahn vor dir; ich bin es, der zugrundegehen muß! Ich bitte dich, mein teurer Julius!«
Die Zuhörer waren bis zu Tränen gerührt. Der Vorsitzende Hémart beeilte sich daher, die Sitzung aufzuheben.
Der Gerichtshof zog sich nun in das Beratungszimmer zurück; die Beratung dauerte lange und war sehr stürmisch.
Die Persönlichkeit Moreaus hatte während des Prozesses ein solches Ansehen gewonnen, daß seine Freisprechung einen vernichtenden Einfluß gegen die jüngst auf den Thron gelangte Macht ausgeübt haben würde. Die Regierung hielt seine Verurteilung für notwendig und nahm keinen Anstand, dem Gerichtshof zu verstehen zu geben, daß, wenn der General von der Anklage entbunden würde, die Regierung sich in die Notwendigkeit versetzt sähe, das Urteil durch einen Staatsstreich umzustoßen.
Einige der Richter fügten sich ohne zu großen Widerstand in diese politische Rücksicht, andere, wie man zu Ehren des französischen Richterstandes bekennen muß, erklärten, es lägen keine hinreichenden Beweise vor, um eine Verurteilung zu rechtfertigen, und weigerten sich, die Stimme ihres Gewissens zu ersticken. Der eifrigste von den überzeugten, Thuriot, stimmte für den Tod, indem er vorstellte, der Kaiser würde Moreau begnadigen. Einer der Räte, Clavier, gab ihm die treffende Antwort:
»Und wer wird uns Gnade erzeigen?«
Von zwölf Richtern erklärten sieben Moreau für unschuldig, nur fünf waren geneigt, ihn schuldig zu finden. Die Erörterungen dauerten vierundzwanzig Stunden, endlich siegte der Druck, welchen der Präsident Hémart und Thuriot auf ihre Amtsgenossen ausübten, über ihren Widerstand, und es gelang, eine Art Vergleich zwischen ihrer ersten Erklärung und den Anforderungen der Regierung herzustellen. Zwei von den Räten, Lecourbe und Rigaud, verharrten auf ihrer Meinung und protestierten.
Das Urteil wurde am 21. Prairial um vier Uhr morgens gefällt und lautete:
»Es hat sich nach der Untersuchung und den Verhandlungen ergeben, daß eine Verschwörung zu dem Zwecke bestanden hat, die Republik durch einen Bürgerkrieg in Verwirrung zu setzen und die Bürger gegeneinander und gegen die rechtmäßigen Behörden zu bewaffnen, und sind folgende Angeklagte: Georges Cadoudal, Bouvet de Lozier, Russillion, Rochelle, Armand de Polignac, Charles d'Hozier, de Rivière, Ducorps, Picot, Lajolais, Roger, Coster de Saint-Victor, Deville, Armand Gaillard, Alexis Soyant, Burdan, Lemercier, Pierre Cadoudal, Lelan und Merille überwiesen, an dieser Verschwörung in verbrecherischer Absicht teilgenommen zu haben. Dieselben werden zum Tode verurteilt; dem Gesetz vom 14. Prairial des Jahres III gemäß werden ihre Güter als der Republik verfallen erklärt. In Betracht, daß Jules de Polignac, Louis Léridant, Jean Victor Moreau, Henri Rolland, Marie Micheline Hizay an dieser Verschwörung teilgenommen haben, sich aber aus dem Verhör und den Verhandlungen mildernde Umstände ergeben, so ermäßigt der Gerichtshof die Strafe, in welche die Genannten verfallen sind, in eine Besserungsstrafe und verurteilt sie zu zwei Jahren Gefängnis.«
Couchery, David, Hervé, Lenoble, Rubin, Lagrimaudière, Noel Ducorps, Datry,
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