Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
erfunden, und ihre Erfindungsgabe übertraf die Schranken, welche die Justiz damaliger Zeit für die Schuldigen hatte.
    Eine Feuerpfanne war herbeigeholt worden und man brannte die Fußsohlen Paul Bertauts an der Flamme.
    Sanson von Longval stieß seinen alten Kameraden zurück und wollte aufspringen, aber von seinem Falle noch immer betäubt, wankte er wie ein Betrunkener und fiel wieder schwer auf den Boden. Er lehnte sich gegen die Mauer, stützte die Ellenbogen auf die Knie, steckte die Daumen in seine Ohren und bedeckte die Augen mit den Händen; er wollte sich taub und blind machen.
    Was sich inmitten des von den Banditen gebildeten Kreises zutrug, war so schrecklich, daß ich, um nicht den Vorwurf, den man mir gemacht hat, das Entsetzliche zu genau zu schildern, zu rechtfertigen, meine Leser um die Erlaubnis bitten muß, über diese finsteren Einzelheiten schweigen zu dürfen.
    Die Verbindungen der Pariser Banditen machten damals einen sehr häufigen Gebrauch von der Folter, bald um die Fehler eines ihrer Angehörigen zu bestrafen, bald um ihre Opfer zu zwingen, ihnen das, was ihre Begierde gereizt hatte, auszuliefern.
    Am häufigsten wurde, wie bei dem Vorfall, den ich soeben erzähle, die Feuertortur angewandt.
    Paul Bertaut hielt sie mit einer Festigkeit aus, die sich nicht einen Augenblick verleugnete. Seine Füße waren gebraten; der Geruch des verbrannten Fleisches war so schrecklich geworden, daß die wütendsten der Elenden, die ihn umgaben, sich gezwungen fühlten, den Kopf abzuwenden; eine Frau war in Ohnmacht gefallen. Er blieb bei dem Märchen, das er erfunden hatte, seine Tochter für unschuldig zu erklären und alles auf sich zu nehmen.
    Selbst als die unglückliche menschliche Maschine zu unterliegen begann, als der wütende Schmerz sein ganzes Wesen vernichtete, in seiner Angst, die ein wahres Delirium hervorrief, verleugnete er seinen Entschluß nicht. Um seinen wankenden Mut aufrechtzuerhalten, betete er, und die er anrief, war sein undankbares und schuldiges Kind, das ihn verlassen hatte und dessen Verfehlung die Ursache seines Todes werden sollte. Er nannte es mit den süßesten, zärtlichsten Namen, und als ob sein Gehirn in dieser entsetzlichen Lage die Kraft behalten hätte, das Bild deren, für die er litt, vor sich zu zaubern, so sah man seine Lippen sich bewegen und ihn in die Luft hinein Küsse geben.
    Herr von Blignac war infolge der Anstrengungen, die er machte, um seine Bewegung zu beherrschen, leichenblaß geworden. Ohne sich um die Folgen, die sein Handeln haben konnte, zu bekümmern, beschloß er, dieser abscheulichen Szene ein Ende zu machen, indem er diesen Henkern befahl, mit den unnützen Grausamkeiten aufzuhören und dem Delinquenten, da er ein Geständnis verweigere, Gnade für seine Beständigkeit zu bewilligen.
    Dieser Vorschlag lief dem blutdürstigen Instinkte und der Wildheit der Banditen aber gerade zuwider. Sie behaupteten, daß, wenn es wahr sei, daß das junge Mädchen das Geld geraubt habe, dies doch in Übereinstimmung mit ihrem Vater geschehen sei, und sie hofften noch immer, ihn durch Steigerung der Qualen zu bestimmen, daß er sie wieder in Besitz ihres Schatzes setze. Daher unterließen sie auch nicht, gegen die sonderbare Schwäche ihres Hauptmanns zu murren, aber dieser sprach mit so viel Bestimmtheit, daß sie sich entschlossen, ihm zu gehorchen.
    Ein an der Decke des Gewölbes befindlicher Haken mußte hier die Stelle des Galgens vertreten. Man befestigte ein Seil daran, warf die Schlinge dem armen Bertaut um den Hals und zog ihn empor.
    Aber der Strick, der alt und mürbe war, riß, und der Delinquent rollte auf den Boden.
    Während man nun in einiger Verwirrung einen neuen Strick suchte, bemerkte einer der Diebe ironisch, daß der Bettler von Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle ein ebenso guter Edelmann wie der Hauptmann sei, daß er daher ein Recht habe, durch das Schwert zu sterben, und daß man zu zartfühlend sei, ihn seines Vorrechts berauben zu wollen.
    Eine der Bohlen, die den Fässern zur Unterlage gedient hatten, mußte die Stelle des Blockes vertreten. Man zwang den unglücklichen Bertaut, seinen Kopf auf diesen Block zu legen, und der Kräftigste der Bande führte, nachdem er sich mit einer Art von großem Messer bewaffnet hatte, damit einen Schlag auf seinen Nacken.
    War es nun aber Ungeschicklichkeit, oder folgte der Elende einer teuflischen Einflüsterung, die seiner Meinung nach zu kurzen und leichten Leiden zu verlängern, der Hieb ging fehl

Weitere Kostenlose Bücher