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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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anderen der Ihrigen, der seine Banditenkleidung beibehalten und den sie ordentlich fesseln würden, mit sich führen, den Geistlichen in seinem Priesterhause aufsuchen und ihm sagen, sie hätten einen Schuldigen ergriffen, den sie nach der Weisung ihrer Oberen an dem ersten besten Baum, aus dem sich ein Galgen machen ließe, aufhängen sollten, und sie nähmen sein heiliges Amt in Anspruch, die der Verderbnis preisgegebene Seele des armen Teufels zu retten.
    Herr von Blignac versicherte, daß, wenn auch nicht die christliche Liebe, so doch der instinktive Haß, welchen der Pfarrer den Böhmen zutrage, ihm nicht erlauben werde, zu zögern. Und während man den Narren hier mit den Vorbereitungen zu der Exekution beschäftigte, würde eine andere Bande, die sich in der Umgegend bereitgehalten, einen Überfall nicht allein auf das Haus des Pfarrers machen, sondern auch auf die seiner Beichtkinder.
    Dieser machiavellistische Plan erregte einen wahren Enthusiasmus; als er aber angenommen war, befanden sich die Banditen etwa in der Lage der Ratten nach ihrem Beschlusse. Niemand wollte die Rolle des armen Sünders übernehmen; in dem Einfalle des Hauptmanns kamen einige kleine Unbequemlichkeiten der Hängung vor, die auch die Entschlossensten zurückschreckten.
    Man beschloß, das Los entscheiden zu lassen, wer die Rolle übernehmen sollte, und wie der Zufall gewöhnlich den trifft, der am wenigsten begierig darauf ist, d.h. den Ängstlichsten in der Bande, so war es diesmal ein armer Teufel, der schon leichenblaß wurde, sobald er nur den Schatten eines Galgens bemerkte.
    Seine Gefährten und besonders der Hauptmann amüsierten sich ungemein über seine vorzeitige Angst.
    Am Abend vor dem zur Ausführung dieses schönen Planes bestimmten Tage waren die, welche daran tätigen Anteil nehmen sollten, in dem Wirtshaus »Zum Weißdorn«, das einer ihrer Verbündeten unterhielt, versammelt.
    Alle waren lustig, nur die Traurigkeit dessen, der gehängt werden sollte, störte die allgemeine Heiterkeit.
    Unter dem Vorwande, seinen Untergebenen zerstreuen zu wollen, schlug ihm der Hauptmann vor, eine Weile die Würfel rollen zu lassen; der andere nahm dies an, aber das Mitleid des Meisters der Bettler wurde durch das Glück schlecht belohnt, denn in weniger als einer halben Stunde hatte er sein ganzes Geld verloren.
    Durch die liebenswürdige Familiarität seines Chefs ermutigt, schlug ihm sein Gegner vor, um die Rolle zu spielen, die ihm so wenig belustigend erschien. Wenn Herr von Blignac diese neue Partie gewann, so sollte er alles, was er verloren hatte, wiedererhalten, war ihm das Glück aber noch einmal zuwider, dann sollte er jene Rolle übernehmen, die dem armen Teufel so wenig zusagte.
    Die Sonderbarkeit dieses Spieles hatte alle Diebe an den Tisch herangezogen; durch ihre Gegenwart noch mehr angeregt, nahm der Hauptmann die Bedingungen an und – verlor.
    Es lag sowohl in seinem Interesse, wie es seine Ehre forderte, daß er diese Mißgunst des Glückes lachend ertrug; übrigens mußte eine ähnliche Tat, vollbracht durch einen Achtzigjährigen, ihm nicht nur die Ehrfurcht der unter ihm stehenden Bettler sichern, sondern auch an seinen Namen die Bewunderung aller Böhmen der Zukunft knüpfen.
    Am anderen Morgen begleitete er die Truppe nach dem Dorfe Cajeaux.
    Alles geschah, wie er es vorausgesehen hatte.
    Der Priester übernahm nicht nur das traurige Amt, das man seinem geistlichen Eifer abforderte, sondern er war sogar so sehr gefällig, daß er zu der Zeremonie einen Schemel lieh.
    Der Diener des Propstes, der gleichzeitig Küster der Parochie war, folgte seinem Herrn; die Mägde wollten auch dabei sein, und kaum hatte sich im Dorfe die Nachricht verbreitet, daß man einen berüchtigten Verbrecher hängen wolle, so nahmen alle Einwohner, Männer, Frauen, Greise und Kinder, ja selbst die Hunde ihren Platz in der Prozession ein, an deren Spitze die falschen Häscher und ihr falscher Gefangener schritten.
    Übrigens spielte Herr von Blignac seine Rolle auf eine Art und Weise, die voraussetzen ließ, sein wahrhafter Beruf hätte ihn auf die Bühne gezogen.
    Aber in dem Augenblick, als der, welcher den Henker vorstellte, ihn nötigte, auf den Schemel zu steigen, über dem ein Strick an dem festesten Zweige einer schönen Eiche sich schaukelte, als die Menge, vor Aufregung tief atmend, mit einer Ängstlichkeit, die sich auf allen Gesichtern malte, die Entwicklung erwartete, trug sich ein Ereignis zu, an das Herr von Blignac bei

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