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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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durchgebracht, ja, ich habe es durchgebracht! Mein Gott, erbärmliche elftausend Livres, was ist denn das? Ich habe schon viel mehr verschwendet! Erinnerst du dich nicht mehr, Hauptmann, als wir uns bei der Rückkehr von Montreal in London aufhielten? Elftausend Livres, Jesus! das reichte für einen Tag hin. Da ich nun gestanden, daß ich euer Geld gestohlen habe, so laßt mich sterben! Laßt mich schnell sterben, ich will, ich will sterben!«
    Die Leute, welche um ihn her standen, verstanden nichts von dieser Sehnsucht, zu sterben, die sich des Bettlers bemächtigt hatte, und sahen sich mit stummem Erstaunen an.
    Aber Blignac beugte sich zu seinem alten Freunde nieder und sagte zu ihm:
    »Ich begreife nicht, was deine Absicht ist, aber ich bin sicher, daß du uns zu betrügen suchst. Die Zeit, von der du sprichst, Paul, liegt weit hinter uns, und du weißt, was heute ein Pfennig wert ist. Sage mir doch, warum du deine Tochter, die du so sehr liebst und von der du dich nie trennst, an demselben Tage aus deiner Wohnung geschickt hast, an dem ich daselbst mit dir abrechnen sollte. Sage mir, warum alle unsere Bemühungen, sie wieder aufzufinden, vergeblich gewesen sind?«
    Als man von seiner Tochter sprach, funkelten die Augen Paul Bertauts, und ein tiefer Seufzer hob seine Brust, aber er antwortete nicht auf die an ihn gerichteten Fragen.
    Mein Ahne nahm nun wieder das Wort und erzählte Blignac, wie er am Abend der Ausstellung des Prokurators dem jungen Mädchen begegnet sei, ohne sein Erstaunen über die Toilette, in der er sie gesehen, und das verdächtige Aussehen ihres Begleiters zu verbergen.
    Der Hauptmann stieß einen lauten Fluch aus und rief, sich erhebend:
    »Gottes Tod, Schurke! Deine Tochter hat dich bestohlen! Warum sagst du es nicht?«
    »Bestohlen?« rief der Bettler, der die Beute wilder Verzweiflung wurde und durch eine mächtige Anstrengung sich von seinen Fesseln zu befreien strebte. »Bestohlen? Das ist nicht wahr, hörst du, Hauptmann? Bestohlen? meine Tochter, ein Kind, das seinen Vater so sehr liebt! Ach, großer Gott! wer hat so etwas erfinden können? – Nein, nein, Hauptmann, nicht sie, sondern ich habe den Fehler gemacht! Ich allein bin strafwürdig.«
    Blignac zuckte die Achseln mit einem Seitenblick auf Sanson von Longval, welcher sagte, daß das, was bisher nur Vermutung, ihm jetzt zur Gewißheit geworden sei.
    Trotzdem versuchte er noch, seinen alten Freund zu retten, und fragte seine Leute, ob einer von ihnen der Tochter des Bettlers, die sie in ihrer Diebessprache mit dem Namen »Schönauge« bezeichneten, begegnet sei.
    Einer der Bettler erwiderte, daß er in der Tat glaube, sie in der Postkutsche von Rouen neben einem Individuum gesehen zu haben, das ihm in der doppelten Eigenschaft als Werber und Spion bekannt sei, aber die Kutsche, die gerade abfuhr, war so schnell vorübergerollt, daß es ihm unmöglich geworden sei, sich sicher zu überzeugen, ob sie es auch wirklich gewesen.
    »Gut,« sagte der Hauptmann, der Zeit zu gewinnen suchte, »Drillon und Marmotte werden nach Rouen reisen, und wenn wir erst wissen, an wen wir uns zu halten haben, wird die Sache dieses Burschen besser stehen.«
    Ein lautes Gemurmel, das durch die ganze Versammlung lief, bewies, daß die Majorität weit entfernt war, diese Ansicht zu teilen.
    Die Autorität eines Hauptmannes in dieser »böhmischen Republik« galt mehr dem Namen nach als in Wirklichkeit. Ein solcher hatte nur Einfluß durch seine Stärke und Kühnheit und besonders durch die Teilnehmer, die er zu seinen persönlichen Unternehmungen heranzog.
    Dies war nun gerade nicht der Fall bei dem alten Kameraden meines Ahnen vom Regiment de la Boissière.
    Wie Sanson von Longval später erfuhr, hatte Herr von Blignac, nachdem er sich allen Ausschweifungen überlassen und den vollständigen Untergang dessen, zu dessen bösem Geiste er sich gemacht, veranlaßt, vollständig verschuldet und ohne Hilfsmittel bei seiner Rückkehr nach Paris seine erbärmliche Laufbahn dadurch gekrönt, daß er ein Hochstraßendieb wurde und den armen Teufel mit sich in seinen Fall zog.
    Unter dem Namen Grand-Jacques hatte er eine Bande alter Schmuggler und entlassener Soldaten zusammengebracht und an ihrer Spitze die großen Landstraßen im Osten Frankreichs unsicher gemacht.
    Sechs Jahre lang führte er dieses Abenteurerleben. Später, als er eine Postkutsche beraubt hatte, die ihm auf sein Teil sechzigtausend Livres einbrachte, hatte er sich in Paris niedergelassen,

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