Tagebücher der Henker von Paris
dadurch überrascht, daß er den unwichtigen Menschen noch neben sich sah. »Schreiben Sie Namen und Vornamen auf,« sagte er unwirsch zu ihm, »man wird sich mit Ihrer Angelegenheit beschäftigen.«
Ein tiefes Erstaunen malte sich auf dem Gesichte des Mannes mit den fünftausendzweihundert Livres; er zögerte noch einige Augenblicke, näherte sich dann dem Bureau, nahm ein Stück Papier und eine Feder, sagte aber, sich plötzlich besinnend:
»Erlauben Sie mir, mein Herr, Ihnen zu bemerken, daß ich schon die Ehre gehabt habe, Ihnen meinen Namen und sonstige Eigenschaften anzugeben, und daß Sie dieselben so gut behalten haben, daß ich mich über die Sicherheit Ihres Gedächtnisses wundern mußte, denn soeben sah ich, ohne unbescheiden sein zu wollen, wie Sie es ebenso genau, als ich es nur hätte tun können, niederschrieben.«
Herr de la Reynie biß sich auf die Lippen, und mit einem unbeschreiblichen Augenwinke gab er dem Sekretär ein Zeichen, sich dem Handwerker zu nähern.
»Sie heißen Jean Larcher?« fragte er den letzteren.
»Ja, mein Herr.«
»Sie sind Buchbinder, Straße Lions-Saint-Paul, gegenüber dem Hotel de Fieuber, mit dem Zeichen zum goldenen Buche?«
»Der Herr haben nichts vergessen«, sagte der arme Jean Larcher lächelnd, während er das Stück Papier, das er zu beschreiben angefangen hatte, in den Händen herumdrehte.
Auch Herr de la Reynie lächelte, aber nicht auf dieselbe Weise; er zog den Gefreiten in eine Fensternische, sagte ihm einige Worte ins Ohr und meinte dann, ihn dem Buchbinder vorstellend:
»Dieser Herr wird Sie nach Ihrer Wohnung begleiten; er wird die notwendigen Nachforschungen anstellen, um zur Entdeckung des Diebstahls zu gelangen, dessen Opfer Sie geworden sind, und wir werden nichts außer acht lassen, damit Ihnen Gerechtigkeit werde.«
Unterwegs plauderte der Gefreite mit dem Buchbinder, der nacheinander alle die Details wiederholte, die er bereits dem Polizeileutnant gegeben hatte, ohne dabei die Beschreibung aller der Örtlichkeiten zu vergessen, die sein Begleiter kennenzulernen ganz besonders neugierig zu sein schien.
Soldaten der Scharwache und Gefreite umgaben das Haus des Buchbinders.
Der letztere zeigte sich mehr erfreut als überrascht von den militärischen Vorbereitungen, mit denen man ihn beehrte; er bemerkte seinem Begleiter, daß, wenn seine Wohnung in der vergangenen Nacht ebenso gut bewacht gewesen wäre, sich soviel brave Leute nicht heute zu bemühen gebraucht hätten.
Der Buchbinder hatte seinen Begleiter so gut unterrichtet, daß der letztere, welcher vorausging, sich nicht in der Tür täuschte; er öffnete die der Niederlage, in welcher der Diebstahl begangen worden war, und ging gerade auf einen großen Schrank von Nußbaumholz zu, in dem Meister Larcher seinen Schatz verwahrt gehalten hatte.
Während aber der Handwerker die Stöße von Stoffen umwühlte, die seinen Schatz so schlecht verborgen hatten, und sich Mühe gab, die Aufmerksamkeit des Gefreiten auf seinen Versteckwinkel zu ziehen, der leider jetzt verwitwet war, machte sich der Mann des Herrn de la Reynie einen Fußtritt aus den unteren Brettern, erhob sich bis zu dem Gesimse des Schrankes, streckte den Arm aus und warf einen kleinen Ballen Broschüren auf die Erde, auf den sich ein Kommissar, der plötzlich wie durch Zauber da war, mit der Begierde eines Geiers stürzte, der die Beute in seinen Klauen fühlt.
Meister Larcher, erstaunt, daß man dem, was ihm in gar keiner Beziehung zu der Angelegenheit zu stehen schien, welche die Justiz in sein Haus führte, soviel Aufmerksamkeit schenkte, bemühte sich, den Gefreiten am Ärmel seines Rockes zu ziehen, um ihm einige Spuren gewaltsamen Einbruches, die an der Tür des Schrankes zurückgeblieben waren, zu zeigen.
Das Benehmen des Gefreiten war aber ganz verändert; er schien den nicht mehr hören zu wollen, den er ein paar Augenblicke zuvor noch wie einen intimen Freund behandelt hatte.
Inzwischen fing der Kommissar an, den Buchbinder zu verhören. Er zeigte auf die Broschüren und fragte, ob er sie als sein Eigentum anerkenne.
In seiner Ungeduld antwortete Meister Larcher etwas unbedachtsamerweise, es könne wohl keinem Zweifel unterliegen, daß alles, was sich in seinem Hause befände, sein Eigentum oder das seiner Kunden sei, die es ihm anvertraut hätten.
Der Kommissar nahm nun, nachdem er den Ballen geöffnet hatte, ein Exemplar der Broschüre, hielt es Meister Larcher unter die Augen und forderte ihn auf, zu
Weitere Kostenlose Bücher