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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Messer ergriffen, das gerade vor ihm auf dem Tische in dem Wirtshause gelegen, und damit auf den Juden einen Stich geführt, der denselben nur an der Schulter verwundete. Der Chevalier von Milhe habe den Mord zu Ende geführt und sich der Brieftasche bemächtigt; der Graf habe um keinen Preis auf eine Teilung des Geldes eingehen wollen.
    Was Charles Sanson anbetraf, so schnitt er in dem letzten Augenblicke, den er bei dem leblosen Körper zubrachte, eine Haarlocke von dem so schnell kalt gewordenen Haupte des jungen Mannes. Er legte sie in eine Hülle und adressierte sie an die Marquise von Parabere mit den wenigen Worten:
    »Das versprochene Andenken.«

Cartouche
Der Verbrechertyp des 18. Jahrhunderts.
    Am 15. Oktober 1721 hatte Paris das Fieber wie am Tage nach einem großen Siege. Die ganze Bevölkerung war auf den Straßen; auf den Promenaden, in den Kaufläden, Wirtshäusern und selbst in den Salons begegnete man sich nur mit einer Nachricht, die noch immer eine Menge von Ungläubigen fand:
    »Cartouche ist ergriffen worden.«
    Cartouche ist das Ideal der Diebe des 18. Jahrhunderts geblieben. In der Sphäre des Verbrechens repräsentiert er vollständig die Übergangsperiode, in der er lebte. Man findet in diesem Übeltäter etwas, das an den Straßenräuber des Mittelalters und an den Gauner unserer Zeit erinnert. Wie der erstere greift er oft zur brutalen Gewalt, aber die List bleibt doch seine Lieblingswaffe, darin ist er vollkommener Meister. Er hat schon einen Begriff von allen den Vervollkommnungen, die seine Nachfolger in die immer schwieriger werdende Kunst, sich des Gutes anderer zu bemächtigen, brachten, und man kann von ihm sagen, daß er der Vorgänger der Diebe unserer Generation gewesen sei.
    Die Kraft der Kühnheit Cartouches, sein an Entwürfen so fruchtbarer Geist, seine körperliche Geschicklichkeit, die Energie, mit der er allen Entbehrungen und Anstrengungen widerstand, besonders aber seine wahrhaft ausgezeichnete Schlauheit bezeichneten ihn natürlich als Chef aller dieser Banden, die eine ebenso große Menge tätig Handelnder als Verbündeter aller Art zählten.
    Gewisse Abenteuer, bei denen der Aristokratie angehörige Personen eine Rolle spielten, die den Salons hinlänglichen Stoff zu Klatschereien gaben, brachten ihn in die Mode; eine glückliche Entweichung, einige originelle Streiche machten ihn populär.
    Der zum Nachteil des Erzbischofs von Bourges begangene Diebstahl belustigte eine Zeitlang alle Neuigkeitskrämer.
    Der Herr Kardinal von Gesvres, Erzbischof von Bourges, verreiste von Paris und wurde etwas oberhalb von Saint-Dénis durch die Truppe Cartouches angehalten und ausgeplündert. Man nahm ihm sein geistliches Kreuz und den Priesterring, zehn Louisdor, die Seine Eminenz in der Börse hatte, eine Pastete von Rotkehlchen und zwei Flaschen Tokayerwein, die er Herrn von Breteuil abgewonnen hatte, ein ziemlich mageres Lösegeld für einen solch edlen Fang.
    Die satirische Laune der Zeit machte hierüber ihre skandalöse Chronik.
    Man behauptete, daß die Diebe den Abbé Cerutti, der bei dem Prälaten im Wagen saß und noch sehr jung und recht hübsch war, für eine Dame im Priesterrock angesehen hätten und daß, als der Herr Kardinal sich sehr beleidigt über eine solche Vermutung gezeigt, Cartouche seine Untergebenen mit den Worten zurechtgewiesen habe:
    »Ich will euch lehren, vor der Geistlichkeit Ehrfurcht zu haben. Seht doch diese verteufelten Kerle, die den Kardinal von Bourges angreifen! Wißt ihr nicht, daß er nie seinen Zehnten annehmen will, wenn die Felder seiner Zinszahler verhagelt sind?«
    Die Frau Marquise von Beauffremont wurde auch die Heldin einer dieser wenig authentischen Geschichtchen. Man behauptete, daß sie einen Freipaß gegen die Nachtdiebe besäße und daß es erstaunenswert sei, welchen Kredit sie bei Cartouche habe; hier folgt der Grund für diese hübschen Vorteile.
    Als sie eines Morgens um zwei Uhr nach Hause gekommen war und sich von ihren Frauen hatte entkleiden lassen, schickte sie die letzteren fort und setzte sich, um zu schreiben, an den Kamin. Plötzlich hörte sie ein dumpfes Geräusch in demselben und sah gleich darauf einen bis an die Zähne bewaffneten Mann mitten in einer Wolke von Ruß, Schwalbennestern und Kalk herabstürzen. Da der nächtliche Besucher bei seinem schnellen Sturze Feuerbrände und Kohlen mitten in das Zimmer geworfen hatte, so nahm er die Feuerzange und legte, ohne sich um die Wirkung zu kümmern, die ein so

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