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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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war.
    Anstatt in die Ermattung, die den schrecklichen Qualen der Tortur zu folgen pflegt, versenkt zu sein, bewegte sich Herr von Horn mit fieberhafter Lebendigkeit; er hielt selbst unzusammenhängende Reden, die das zu bestätigen schienen, was seine Verwandten in bezug auf seine Geistesschwäche zu seiner Verteidigung angeführt hatten.
    Die unglückliche Stunde war gekommen. Man brachte die beiden Verurteilten auf den traurigen Karren. Charles Sanson setzte sich neben den Grafen von Horn, während der Doktor fortfuhr, sich mit dem Chevalier von Milhe zu unterhalten.
    Als mein Ahne die außerordentliche Erregtheit des unglücklichen Grafen sah, kam ihm der Gedanke, ihn dadurch zu beruhigen, daß er einen Hoffnungsstrahl vor seinen Augen leuchten ließ, der natürlich nur mit einer Enttäuschung enden konnte.
    »Mein Herr,« flüsterte er ihm in das Ohr, »hoffen Sie! Sie wissen wohl, daß man sich für Sie interessiert. Ihre Verwandten –«
    Er ließ ihn nicht weitersprechen.
    »Sie haben mich verlassen,« rief er wütend. »Der Bischof soll wiederkommen – wo ist der Bischof?«
    »Besonders betet in diesem Augenblicke eine Frau für Sie, und vielleicht beschränkt sie sich nicht auf Gebete. Ihr Arm ist mächtig, und seien Sie versichert, daß sie nicht untätig bleibt. Ich habe sie ganz in Tränen und in Verzweiflung versenkt gesehen.«
    »Ihr Name! ihr Name!« unterbrach er ihn heftig, ohne, wie es schien, sich darum zu kümmern, ob er gehört würde.
    »Die Marquise von Parabere«, sagte Charles Sanson ganz leise.
    Bei diesem Namen schien sich der Graf ein wenig zu beruhigen. Eine lebhafte Bewegung malte sich auf seinem Gesichte. Mein Ahne wollte diesen günstigen Moment benutzen und sagte:
    »Wer weiß? es kann plötzlich ein Begnadigungsbefehl ankommen.«
    Die Lippen des jungen Mannes zogen sich verächtlich zusammen.
    »Wenn sie mich hätten am Leben lassen wollen, würden sie mich nicht zum Krüppel gemacht haben«, erwiderte er bitter und warf einen Blick auf seine gänzlich zerfleischten Füße.
    »Ein Handstreich kann Sie befreien. Ich habe der Marquise versprochen, nichts dagegen zu tun, mich einem solchen nicht zu widersetzen.«
    Von Zeit zu Zeit blickte sich mein Ahne um, ob er in der sie umgebenden Menge nicht ein paar befreundete Gesichter bemerken könne, die den armen Verurteilten Zeichen des Einverständnisses gaben.
    Ach! was er allein zu sehen glaubte, waren die erregten Gesichter der Leute des Polizeileutnants, deren Zahl Dubois, ungerechnet diejenigen, welche er heimlich zu seinen düsteren und verwerflichen Zwecken verwandte, beinahe verdoppelt hatte.
    Man war über den Pont-au-Change gekommen und befand sich bereits auf dem Kai; noch einen Augenblick, und man hatte das Ziel dieser traurigen Pilgerfahrt erreicht. Alle Hoffnung war nun geschwunden. Der unglückliche Graf warf auf Charles Sanson einen Blick, der zu sagen schien:
    »Sie sehen wohl, daß Sie mich nur zu täuschen versuchten.«
    »Mein Herr,« stotterte mein Ahne ganz bestürzt, »ich schwöre Ihnen, daß die Marquise von Parabere mich hoffen ließ –«
    »Sagen Sie der Marquise, daß ich ihr verzeihe und daß ich, sei es auf dem Rade oder auf dem Schafott, wie ein Edelmann sterben werde.«
    Diese plötzliche Ruhe und Fassung, die hervorzubringen der Name einer Frau hingereicht hatte, setzte Charles Sanson in Erstaunen und schien ihm das, was er in seinem traurigen Berufe noch zu tun hatte, weniger peinlich zu machen.
    Endlich war man zur Stelle.
    Die Verurteilten waren außerstande, sich allein zu bewegen; man mußte sie von dem Karren heben und tragen.
    Charles Sanson nahm den Grafen von Horn in seine Arme und stieg wie ein moderner Äneas, wenn die Last auch schwerer und weniger heilig war, die Stufen des Schafotts hinauf. Wider seinen Willen konnte er noch immer nicht die Befreiungspläne, von denen Frau von Parabere zu ihm gesprochen hatte, vergessen, und er glaubte, als er dieses zitternde Schlachtopfer wie eine Trophäe hochhielt, daß dies den Eifer der Verschworenen anregen und ihnen das Signal zum Handeln geben würde.
    Gleichzeitig sagte er dem Grafen, er solle bitten, noch Geständnisse machen zu dürfen, da dies das Mittel sei, einen Aufschub zu gewinnen, währenddessen das Komplott zur Ausführung kommen könne. Unglücklicherweise schien Anton von Horn wieder die Vernunft verloren zu haben und von einem Anfalle von Irrsinn, wie er ihn schon in dem niedrigen Saale der Conciergerie gehabt hatte, heimgesucht zu

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