Tagebücher der Henker von Paris
sonderbarer Eintritt ausüben mußte, alle die herausgestoßenen Brände wieder in den Kamin, stieß einige Stückchen Kohle, damit sie nicht den Teppich verbrannten, mit dem Fuße zurück und wandte sich dann erst an Madame von Beauffremont.
»Dürfte ich Sie wohl zu fragen wagen, Madame,« sagte er zu ihr in höflichem Tone, »mit wem ich die Ehre habe zu sprechen?«
»Mein Herr,« stotterte die vor Schrecken zitternde Marquise, »ich bin Frau von Beauffremont; da ich Sie aber durchaus nicht kenne und Sie mir nicht das Aussehen und die Manieren eines Diebes zu haben scheinen, so kann ich wirklich nicht erraten, warum Sie mitten in der Nacht und obendrein durch den Kamin in mein Zimmer kommen.«
»Madame,« antwortete der Unbekannte, »Sie wollen mich entschuldigen; als ich hier eindrang, wußte ich durchaus nicht genau, welches Zimmer ich gezwungen sein würde zu belästigen. Erlauben Sie mir daher, um einen Besuch abzukürzen, den Sie ohne Zweifel für unpassend halten werden, Sie um die Güte zu bitten, mich bis an die Tür Ihres Hotels begleiten zu wollen.«
Dabei zog er ein Pistol aus seinem Gürtel und nahm eine brennende Kerze in die Hand.
»Aber, mein Herr!«
»Haben Sie die Güte, sich zu beeilen, Madame,« sagte er, den Hahn seiner Waffe spannend. »Wir werden zusammen die Treppe hinuntergehen, und Sie werden dann gütigst befehlen, daß man öffne.«
»Sprechen Sie leiser, mein Herr, sprechen Sie leiser, der Marquis von Beauffremont könnte Sie hören«, erwiderte die unglückliche Frau ganz außer sich.
»Nehmen Sie einen Mantel um, Madame, bleiben Sie nicht im Morgenkleid; es ist draußen abscheulich kalt.«
Alles geschah nach dem Willen des kühnen Besuchers. Madame von Beauffremont war darüber, als der Mann schon das Hotel verlassen hatte, noch so erschrocken, daß sie sich eine Weile in der Loge des Schweizers niedersetzen mußte. Bald darauf hörte sie an das Fenster des Schweizers, das auf die Straße hinausging, klopfen, und die Stimme des Mannes mit der Pistole sagte:
»Herr Schweizer, ich habe in dieser Nacht ein oder zwei Meilen über die Dächer gemacht, um den Polizisten, die mir folgten, zu entwischen. Sagen Sie nicht Ihrem Herrn, daß hier ein Galanteriestreich geschehen und daß ich der Liebhaber Frau von Beauffremonts sei, sonst würden Sie es mit Cartouche zu tun haben, und übrigens wird man übermorgen von mir etwas durch die Stadtpost erfahren.«
Frau von Beauffremont ging wieder hinauf und weckte ihren Gatten, der behauptete, sie habe nur Alpdrücken oder einen schlechten Traum gehabt.
Zwei oder drei Tage später erhielt sie einen Brief voll Entschuldigungen und durchaus ehrfurchtsvollen und sehr gewandt ausgedrückten Danksagungen, in dem ein Paß für sie und ihre Familie eingeschlossen war. Bei dem Briefe befand sich noch eine kleine Schachtel, in der ein schöner Diamant ohne Fassung lag. Madame Lempereur, die Juwelierin, schätzte ihn auf zweitausend Taler ab, welche Summe Herr von Beauffremont für die Kranken des Hotel-Dieu an den Schatzmeister von Frankreich ablieferte.
Noch sicherer und noch nie irgendwo gedruckt ist der Streich, den Cartouche dem Leutnant von der Polizeiwache spielte, indem er ihm am hellen Tage sein Silberzeug raubte.
Der Leutnant speiste in einem Saale des Erdgeschosses seines Hauses, dessen Fenster auf den Hof hinausgingen. Eines Tages gegen Mittag, als er sich eben zu Tische setzen wollte, öffnete sich das Hoftor mit Geräusch, und er sah eine prächtige Kutsche vorfahren, bei der zwei große Teufel von Lakeien, in Scharlach gekleidet und mit Tressen auf allen Nähten, hinten aufstanden.
Ein ernst und streng aussehender Greis stieg aus dem Wagen und verlangte, nachdem er sich als ein Engländer von hohem Stande genannt hatte, den Herrn Leutnant von der Polizeiwache zu sprechen.
Man führte ihn in den Speisesaal. Als der edle Fremde das Mahl des Beamten auf dem Tische bemerkte, erschöpfte er sich in Entschuldigungen, weigerte sich, Platz zu nehmen, und versicherte in einem Kauderwelsch, das keinen Zweifel an der Nationalität, zu der er sich bekannt hatte, ließ, daß er dem Leutnant nur einige Worte zu sagen habe; dabei zog er diesen in eine Ecke des Zimmers und war bemüht, sich so zu stellen, daß der andere gezwungen war, den Fenstern den Rücken zuzuwenden.
Er erzählte ihm, wie ein anonymer Brief ihn benachrichtigt habe, daß die Banditen in der folgenden Nacht sein Hotel angreifen würden; er bat um Schildwachen und versprach
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