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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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läßt – auch einfach was Großes voraussetzen läßt (Augstein vor Jahren: «Nee, mit dir spiele ich gottserbärmlich Tennis.» Oder Stefan Heym hier neulich, der einfach als selbstverständlich annahm, daß mir DAS GANZE HAUS hier, und nicht nur die kleine Wohnung, gehört).
    Kampen, den 16. September
    Das letzte Ei ist gegessen, die letzten fahlen Dahlien sind verblüht, das letzte Vivaldi-Band gespielt; time to part. Es ist ja komisch – obwohl dies ja hier auch eine Art «Zuhause» ist und eine Wiederkehr eher wahrscheinlich (wenn auch eventuell mit dem Makler zum Verkauf unterm Arm …), dieses «ziehende» Abreisegefühl, das wir aus dem Wort «partir, c’est un peu mourir» kennen, stellt sich auch hier, und immer wieder, und diesmal besonders stark ein. Verstärkt wohl durch allerlei bedeutsame (?) Details, wie daß ich die Fenster neu streichen ließ, einen langen Sylt-Tee wieder bei meinem Pastor war und die Bepflanzung meines Grabes in Keitum nun endlich erledigt wird (das Grab, by the way , ist sehr «schön» – zwischen Suhrkamp, Avenarius und Baedeker; mehr kann man wohl nicht verlangen …). So beschleicht mich ein wenig das Gefühl: «Haus bestellt.» Nun wird der Blumenkohl und das Töpfchen Rote Grütze in Plastik verschnürt, weil ich nicht genau weiß, ob zu Hause eigentlich der Tisch gerichtet ist. Es waren wieder mal merkwürdige Wochen – einerseits betörend schön dieser Herbst, alle Wetter, die man sich wünschen kann, hintereinander, mal tosende Brandung und mal faul daliegende See, mal heiß und mal herbstlich verschleiert, hinter den pflügenden Bauern diese von weitem wie wehende weiße Brautschleier wirkenden Wolken von Möwen, die sich da aus den Furchen was picken – es hätte ohne diese brutale Störung durch den Herrn Sommer ein schöner Urlaub werden können. Daß alles nicht Zeit hatte bis NACH dem Urlaub, daß nun gar ein Brief meinen sogenannten «Untergebenen» gezeigt wird (was für ein Chef bin ich da eigentlich noch?) – wie grob und taktlos ist das alles. Zur Identifikation mit diesem ZEIT-Hause also kein Grund. Maria Augstein fragt verdächtig «leise», ob die Einladung Siedlers an mich zu seinem morgigen Fest auch «freundlich» sei; mir scheint, daß sie da mehr weiß, als sie sagen will oder darf – es sieht ja wohl so aus, daß er mein möglicher Nachfolger wird, was auch passend wäre: intelligent, konservativ und im Habitus ins Haus «passend», immer gestern mit Golo Mann spazieren gegangen und morgen mit Speer zum Tee. Ich hatte da letztlich doch den falschen Geruch – denn in Wahrheit bin ich nicht nur zu bunt und zu «outwayish», sondern ist ihnen Speer doch lieber als Grass, und die Gräfin ging halt immer mit Jünger zur Schule … Dieses Gefühl – was heißt Gefühl, WISSEN –, eigentlich nirgendwohin zu gehören, von niemandem getragen zu werden, immer nur das Tier mit dem falschen (bzw. keinem) Stallgeruch zu sein – das sägt schon ganz hübsch an meinen Nerven. So fahre ich unfroh zurück, ängstlich sogar – und graule mich sogar vor den beiden «Verlegergesprächen» der kommenden Tage. On verra .
    25. September
    Zurück aus Lavigny und dem vollkommen sinnlosen Leo-Fest, wo es schlechten Wein, langweilige Leute und ein Steak gab (was mich, alles zusammen, 1000 Mark gekostet hat), und in 1 Stunde beginnt mein Interview mit Siegfried Lenz, wovor ich mich immer wieder graule, Lampenfieber, habe das Gefühl, es wird nix, es fällt mir nix ein – – – und versinke im übrigen weiter wie eine Beckettfigur im Sand, so in der Finsternis; ich «grinse» noch, aber der Sand knirscht schon zwischen meinen Zähnen. Aufregend und wichtiger eigentlich, daß mein alter Studienfreund Gerd, der ja noch und für immer in Ostberlin lebt, anrief, bei irgendeiner Schwester zum 60. in Solingen oder so, und mir erzählte, daß er STÄNDIG und IMMER WIEDER vom SSD kontaktet würde, meinetwegen. Er könnte so was haben, jede Woche ’ne Westreise, wenn er wolle – wenn er sich bereit fände, mich zu «übernehmen». Ich habe mich fast übergeben müssen – was ist nur an meinem Leben, daß alles so merkwürdig, spektakulär, angriffig ist? Warum ist gestern zum zweiten Mal (von allen hier in der Straße parkenden Wagen) MEIN Wagen versucht worden zu klauen; warum will Bucerius MICH loswerden und nicht Petra oder namenlose Langweiler – oder auch namHAFTE –, warum fühlen sich die Lover «erwürgt» und die Kollegen «überwältigt» (Grass hat Lenz

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