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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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den Leser wenigstens meiner Meinung nach rührend wird. Für mich aber, der ich glaube auf dem Sterbebett zufrieden sein zu können, sind solche Schilderungen im geheimen ein Spiel, ich freue mich ja in dem Sterbenden zu sterben, nütze daher mit Berechnung die auf den Tod gesammelte Aufmerksamkeit des Lesers aus, bin bei viel klarerem Verstande als er, von dem ich annehme, daß er auf dem Sterbebett klagen wird, und meine Klage ist daher möglichst vollkommen, bricht auch nicht etwa plötzlich ab wie wirkliche Klage, sondern verläuft schön und rein. Es ist so, wie ich der Mutter gegenüber immer ber Leiden mich beklagte, die beiweitem nicht so groß waren wie die Klage glauben ließ. Gegenüber der Mutter brauchte ich allerdings nicht soviel Kunstaufwand wie gegenüber dem Leser.

    14. (Dezember 1914) Jämmerliches Vorwärtskriechen der Arbeit, vielleicht an ihrer wichtigsten Stelle dort wo eine gute Nacht so notwendig wäre.

    Bei Baum am Nachmittag. Er gibt Klavierstunde einem kleinen bleichen Mädchen mit Brille. Der Junge sitzt still im Halbdunkel der Küche und spielt nachlässig mit irgendeinem unkenntlichen Gegenstand. Eindruck großen Behagens. Besonders gegenüber der Hantierung des großen Stubenmädchens, das in einem Kübel Geschirr wäscht.

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    15 (Dezember 1914) Gar nichts gearbeitet. Jetzt zwei Stunden für das Bureau Einreihungen von Betrieben durchgesehn. Nachmittag bei Baum. Er war ein wenig verletzend und roh. Ödes Gespräch infolge meiner Schwäche, Gedankenlosigkeit, Schwerfälligkeit und fast Dummheit; war ihm in jeder Hinsicht unterlegen, habe schon lange nicht ganz allein mit ihm gesprochen, war glücklich wieder allein zu sein. Das Glück auf dem Kanapee ohne Kopfschmerzen im stillen Zimmer zu liegen, das menschenwürdige ruhige Atmen.

    Die Niederlagen in Serbien, die sinnlose Führung.

    19. (Dezember 1914) Gestern den "Dorfschullehrer" fast bewußtlos geschrieben, fürchtete mich aber länger als % 2 zu schreiben, die Furcht war begründet, ich schlief fast gar nicht, machte nur etwa 3 kurze Träume durch und war dann im Bureau in entsprechendem Zustand. Gestern die Vorwürfe des Vaters wegen der Fabrik: "Du hast mich hineingetanzt. " Gieng dann nachhause und schrieb ruhig 3 Stunden, im Bewußtsein dessen, daß meine Schuld zweifellos ist, wenn auch nicht so groß, wie sie der Vater darstellt. Gieng heute Samstag nicht zum Nachtmahl, teils aus Furcht vor dem Vater, teils um die Nacht für die Arbeit ganz auszunützen, ich schrieb aber nur eine und nicht sehr gute Seite.

    Anfang jeder Novelle zunächst lächerlich. Es scheint hoffnungslos, daß dieser neue noch unfertige überall empfindliche Organismus in der fertigen Organisation der Welt sich wird erhalten können, die wie jede fertige Organisation danach strebt sich abzuschließen. Allerdings vergißt man hiebei, daß die Novelle falls sie berechtigt ist, ihre fertige Organisation in sich trägt, auch wenn sie sich noch nicht ganz entfaltet hat; darum ist die Verzweiflung in dieser Hinsicht vor dem Anfang einer Novelle unberechtigt; ebenso müßten Eltern vor dem Säugling verzweifeln, denn dieses elende und besonders lächerliche Wesen hatten sie nicht auf die Welt bringen wollen. Allerdings weiß man niemals, ob die Verzweiflung die man fühlt die berechtigte oder die unberechtigte ist. Aber einen gewissen Halt kann diese Überlegung geben, das Fehlen dieser Erfahrung hat mir schon geschadet.

    20. (Dezember 1914) Maxens Einwand gegen Dostojewski, daß er zuviel geistig Kranke auftreten läßt. Vollständig unrichtig. Es sind nicht geistig Kranke. Die Krankheitsbezeichnung ist nichts als ein Charakterisierungsmittel und zwar ein sehr zartes und sehr ergiebiges. Man muß z. B. einer Person nur immer mit größter Hartnäckigkeit nachsagen, daß sie einfältig und idiotisch ist und sie wird wenn sie Dostojewskischen Kern in sich hat förmlich zu ihren Höchstleistungen aufgestachelt.
    Seine Charakterisierungen haben in dieser Hinsicht etwa die Bedeutung, wie Schimpfworte unter Freunden. Sagen sie einander Du bist ein Dummkopf so meinen sie nicht, daß der andere ein wirklicher Dummkopf ist und sie sich durch diese Freundschaft entwürdigt haben, sondern es liegt darin meistens, wenn es nicht bloß Scherz ist, aber selbst dann, eine unendliche Mischung von Absichten. So ist z. B. der Karamasov'sche Vater durchaus kein Narr, sondern ein sehr kluger, fast Iwan ebenbürtiger, allerdings böser Mann und viel klüger jedenfalls als

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