Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Uniformträger kamen in das Zimmer.
„Ist sie vernehmungsfähig, Dr. Sprengler?“, fragte einer. Sah sie etwa so aus, als ob sie nicht für sich selbst sprechen konnte?
„Ich denke schon“, sagte Nils Sprengler. „Wollen Sie in mein Arbeitszimmer kommen?“
Er führte sie am Arm in den Raum neben dem Chinateppich. Zur Abwechslung mal kein Sarg. Der Raum war weiß gestrichen und mit einem modernen Glasschreibtisch und zwei Stühlen davor ausgestattet. Nils Sprengler führte sie zu dem Chefsessel hinter dem Schreibtisch und wies den Beamten die zwei anderen Stühle zu.
Sie berichtete das Wenige, woran sie sich erinnern konnte. Ob sie Anzeige erstatten wolle, fragten sie Judith. Sie verneinte. Nils Sprengler, der am Fenster stand, drehte sich um und sagte: „Wenn ich Ihnen ungefragt einen Rat geben darf, erstatten Sie unbedingt Anzeige. Schon wegen der Versicherung und möglicher Schäden.“
„Meine Handtasche ist weg“, sagte sie. „Und der Bilderrahmen ist kaputt.“
Was dann kam, hatte sie befürchtet. Sie wollten eine genaue Beschreibung der Handtasche und des Inhalts. Als ob irgendeine Frau auf der Welt sagen könnte, was sich genau in ihrer Handtasche befindet. Also von Geldbörse, Ausweis, Schlüssel, Make-up und Tampons mal abgesehen. Auf das Stichwort Schlüssel sprangen sie an wie ein Wachhund auf Schritte. Es wurde sofort eine Polizeistreife zu ihrer Wohnung geschickt. Ob sie einen Ersatzschlüssel hätte. Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Es tat höllisch weh.
Die Herren von der Polizei machten ihr klar, dass sie jetzt einen Schlüsseldienst bestellen müssten, um die Wohnung zuerst zu öffnen und dann ein neues Schloss einzubauen. Mist. Was das wieder kosten würde.
„Wir lassen Sie nach Hause fahren“, sagte der Polizist.
„Nein, danke, ich fahre selbst“, sagte Judith schnell.
„Ich fahre Sie“, sagte Nils Sprengler. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann, solange ich nicht sicher weiß, ob Sie eine Gehirnerschütterung haben.“
Sie wollte schon protestieren, als ihr einfiel, dass die Autoschlüssel vom Smart ebenfalls in ihrer Handtasche waren. Sie konnte ja schlecht sagen, dass das Auto Alice von Kaldenberg gehörte.
Aber der Smart musste so schnell wie möglich hier weg. Und sie musste die Kaldenberg informieren. Vielleicht konnte einer von ihren Leuten die Aldi-Tüte abholen.
Endlich war sie fertig mit ihrer Aussage. Nils Sprengler erhielt die Erlaubnis, sie nach Hause zu bringen.
„Ich sage nur schnell in der Remise Bescheid“, sagte er. Sie ging nach draußen. Kaum war sie außer Hörweite benutzte sie ‚unter Taste 2 können Sie uns rund um die Uhr erreichen'. Maria war am Apparat. Schnell erklärte sie ihr die Situation.
„Okay, wir holen umgehend das Auto, melde dich, sobald du alleine bist“, sagte sie. In dem Moment kam Nils Sprengler. „Ich habe einen Schlüsseldienst anrufen lassen“, sagte Sprengler, „dann brauchen Sie nicht so lange vor der Tür zu warten.“
Fürsorglich, der Mann. Er öffnete ihr die Autotür des schwarzen BMW-Cabriolets, das vor dem Smart am Straßenrand geparkt war. Sie ließ sich stöhnend in den Sitz fallen.
„Und womit soll ich den Schlüsseldienst bezahlen?“, fragte sie, als er sich neben sie in das Auto zwängte und die Adresse in sein Navi eingab. „Knete futsch, Scheckkarte futsch.“
„Ich hoffe, Sie haben die Geheimnummer nicht daneben in der Tasche stecken.“
Natürlich hatte sie. Aber genauso natürlich protestierte sie: „Sie halten mich wohl für blöd.“
„Sobald Sie zu Hause sind, lassen wir Ihre Scheckkarte sperren. Den Schlüsseldienst überlassen Sie ruhig mir, wenn das alles ist, was ich für Sie tun kann“, sagte er. Den Kerl würde sie heute nicht so schnell loswerden. Wie sah eigentlich ihre Wohnung aus, fragte sie sich, während er den Anweisungen der Blechelse folgte. Also aufgeräumt hatte sie nicht, soviel stand fest. Egal. Sie schaute aus dem Fenster und überlegte. Ihr Kopf dröhnte, aber wenn sie schon mit Sprengler nach Friedrichshain fahren musste, dann konnte sie die Zeit nutzen und ihn interviewen.
„Wie geht es eigentlich Frau Dr. Sprengler?“, fragte sie.
„Sie ist noch ein bisschen zitterig, meine Mutter ist jetzt bei ihr, Tante Linda ist ein zähes Stück“, sagte er.
„Wie kam es eigentlich, dass Sie plötzlich da waren?“, fragte Judith.
„Donnerstagnachmittag ist die Klinik geschlossen. Tante Linda hatte mir am Mittag gesagt, dass eine Journalistin kommen
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