Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Warte mal, ich habe die Fotos an meine Mailadresse geschickt. Das letzte Foto hatte ich gemacht, kurz bevor ich niedergeschlagen worden bin. Da war was hinter der Scheibe zu sehen, aber auf dem Handy war es viel zu klein, um erkennbar zu sein.“ Sie stand mühsam auf.
„Bleib liegen. Wo ist dein Computer?“, fragte Hüsy.
Sie zeigte auf einen alten Schrank in der Ecke, den ihr Vater restauriert und als Computerschreibtisch eingerichtet hatte. „Da drin“, sagte sie.
Hüsy öffnete die Schranktür und schaltete ihren Computer an.
„Ich hab’s auf Yahoo! geschickt, weil ich die Fotos in der Firma zeigen wollte“, sagte sie. Hüsy fragte nach ihrem Passwort. Passwörter konnte man ändern, sie nannte es ihm. Vom Sofa aus sah sie, wie sich das Disney-Schloss auf dem Bildschirm aufbaute. Nicht gestochen scharf, aber zu erkennen.
„Das letzte Foto ist das interessanteste“, sagte sie, erhob sich schwankend von ihrem Lager und stellte sich hinter ihn.
„Und du meinst wirklich, dass die deshalb das Handy haben wollten?“, fragte er. Das Bild sah aus wie aus einem Horrorfilm. Viel dunkelblau, schwarz, ein milchiger Fleck von dem Blitz. Hüsy zog das Foto in ihr Fotoprogramm. „Mal sehen, ob wir das nicht schärfer hinkriegen“, sagte er und klickte sich durch.
„He, he, interessant“, sagte er und zeigte auf einen dunklen Fleck über der Milchstraße. Er ging auf Zoom, aber die Pixel verschwammen. Hüsy gab Kontrast dazu, aber es half wenig. „Sieht aus wie ein Kopf von einem Mann. Auf jeden Fall hellblond, siehst du hier, die Haare.“
Sie wankte zurück zum Sofa. Irgendetwas saß mitten in ihrem angematschten Hirn und pochte an die Erkenntnistür. Hüsy druckte das Foto aus.
„Hör mal, ich glaube, du solltest mitkommen zum Kudamm“, sagte er.
„Kommt nicht in Frage, ich bleibe hier. Und überhaupt, was soll das bringen, die haben doch, was sie wollen. Die werden sich hier nicht mehr blicken lassen. Wieso rufen wir eigentlich nicht die Polizei?“
Hüsy stand mit dem Ausdruck am Fenster. Als Antwort auf ihre Frage zog er nur eine Augenbraue hoch. „Eindeutig ein blonder Mann. Mehr kann man nicht erkennen, aber Oliwia wird da schon noch was rausholen. Ich hoffe, Oliwia hat die Männer nicht verloren“, sagte er.
„Darf ich dich mal was fragen?“
Hüsy lächelte sie an und nickte. Er setzte sich in ihren alten, schon etwas ausfransenden Korbsessel.
„Wieso schnüffeln wir jetzt im Mordfall Sprengler rum?“
„Wahrscheinlich hat Bernie Alice damit beauftragt. Kaldenberg – diskrete Ermittlungen, wenn Alice nicht Schriftstellerin wäre, würde das wahrscheinlich an ihrer Eingangstür stehen.“
Judith war baff. „Heißt das, dass es nicht das erste Mal ist, dass Lady Kaa in einem Mordfall rumschnüffelt?“
Hüsy grinste. „Natürlich nicht. Wenn du mich fragst, dann braucht sie den Nervenkitzel, um schreiben zu können. Sie hat eine Nase wie ein Trüffelschwein für Kriminelles. Vielleicht muss man latent kriminell sein, um Krimis zu schreiben.“
„Und alle machen da mit?“, fragte sie.
„Mit Begeisterung, hast du das nicht gemerkt?“
„Aber das kann doch ziemlich gefährlich werden“, sagte sie und fasste an ihren verbundenen Hinterkopf.
„Du hast Pech gehabt heute, konnte ja keiner wissen, dass du ausgerechnet bei deinem ersten Auftrag mitten reintrittst in den Hundehaufen.“
Hundehaufen. Das Pochen in ihrem Kopf wurde lauter. „Verdammt, die haben gelogen!“
„Wer hat gelogen?“
„Nils Sprengler. Oder Linda Sprengler. Wahrscheinlich Frau Doktor. Nils Sprengler hat mir gesagt, dass seine Tante von drei Maskierten überfallen worden ist. Sieht das auf dem Foto aus wie ein Maskierter?“
Hüsy setzte sich kerzengerade auf. „Nein. Außerdem, wozu sollten sie sich die Mühe machen und das Risiko eingehen, dich niederzustrecken und dein Handy zu klauen, wenn darauf nur ein Maskierter zu sehen gewesen wäre. Alice hat mal wieder Recht gehabt, das stinkt zum Himmel.“
Hüsys Handy klingelte.
„Oliwia! Hast du sie?“, fragte er.
Judith beobachtete Hüseyin. Er sah einfach gut aus. Viel zu gut, er verunsicherte sie.
„Okay“, sagte er, „sei vorsichtig.“
„Was ist?“, fragte sie, als er aufgelegt hatte.
„Oliwia hat Fotos von den Männern. Sie meint, dass sie Richtung Polen unterwegs seien. Sie ist an ihnen dran.“
„Und jetzt?“, fragte Judith.
„Jetzt rufe ich Elke an. Sie soll uns hier abholen, ich halte es nicht für eine gute Idee, dich
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