Takeover
darauf einigen, dass das Ganze unter uns bleibt, könnte ich dir die Datei mailen .«
»Mach dir keine Gedanken, natürlich bleibt das Ganze unter uns, wir sind beide in derselben Situation. Wenn es bekannt wird, dass irgendjemand hier in unser Netzwerk eindringen kann, wann immer er will, und dann auch machen kann, was er will, während wir keine Möglichkeit haben, das zu verhindern, dann ist das auch für uns mehr als nur eine Blamage. Wir sitzen im selben Boot und haben den gleichen Gegner. Lass uns zusammenarbeiten .«
»Ja, lass uns zusammenarbeiten. Die Datei ist schon unterwegs, wie ist deine Mailadresse ?«
Ferry gab seine Mailadresse durch und versprach, sich sofort zu melden, sobald er etwas Neues herausbekommen hatte.
Ferry hatte, nach dem Gespräch mit X-SECURE, bei den an den Wänden seines Arbeitszimmers montierten großen, beschreibbaren und magnetischen Tafeln eine Ecke frei gewischt und schrieb jetzt Stichworte an die Wand: ›umgehen von Sicherheitssystemen‹, ›außer Kraft setzen von Sicherheitssystemen‹, ›Beschaffen von Zugangsdaten für Türschließsysteme‹, ›keine Spuren hinterlassen‹, ›verwendete Technik: unbekannt‹ . Er setzte sich ein bisschen zurück und dachte über diese Liste nach. Der Gegner war ein Spezialist in der Überwindung von Sicherheitssystemen. Nicht auf die brutale Art, er knackte sie nicht – er ließ sie für sich arbeiten. Er ging einfach durch sie durch, ohne Alarm auszulösen, ohne Spuren zu hinterlassen. Und offensichtlich wollte er das nicht nur in der virtuellen Welt. Er wollte sich Daten beschaffen, mit denen er das Gleiche auch in der realen Welt tun konnte, deshalb der Angriff bei X-SECURE. Der Fremde wollte nicht nur durch Firewalls gehen, sondern auch durch echte Türen.
Und er benutzte GermanNet für seine Zwecke. Es wurmte Ferry, dass ihm jemand technisch überlegen war, denn er bildete sich ein, dass er viel von Netzwerken verstand. Schließlich war er als Student selbst mal Hacker gewesen, allerdings ohne je einen persönlichen Vorteil davon zu haben. Aber dieser Unbekannte verstand offensichtlich mehr davon als er. Und er konnte sein Unternehmen gefährden. Im Internetgeschäft waren es manchmal Kleinigkeiten, die über Leben und Sterben einer Firma entschieden. Hier war etwas geschehen, das GermanNet ernstlich gefährden konnte. Er musste herausfinden, wie der Fremde vorging und vor allem musste er schnell einen Weg finden, um den Gegner zu stoppen.
Ferry war zu lange aus dem Thema draußen, er war nicht auf dem Laufenden, was sich in der Hackerszene so tat und welche Techniken zurzeit angesagt waren. Er brauchte Unterstützung. Der Beste, der ihm hierfür einfiel, war sein Freund aus Studententagen, Leo Baldure. Ihre Wege hatten sich nach der Uni getrennt. Während Ferry begann, sein Unternehmen aufzubauen, blieb Leo der Universität treu, er hatte inzwischen eine Professur an der Cambridge Virtuell University angenommen und er war genau der Spezialist, den Ferry jetzt brauchte. Obwohl es mitten in der Nacht war, rief er ihn an. Ferry wusste, dass Leo spät aufstand und lange wach blieb. In ihren Studententagen war das der Auslöser für das Gerücht gewesen, dass Leo von Vampiren abstamme und deshalb das Tageslicht scheue. Das Telefon hatte dann auch noch keine zweimal geklingelt, als Leo abhob.
» Hi Leo, ich bin es, Ferry .«
»Mensch, lange nichts gehört, muss ein Jahr her sein .«
»Ja, wie geht es dir ?«
»Komm, ich kenne dich zu lange und weiß, dass du so damit beschäftigt bist, Geld zu verdienen, dass du mich nicht anrufen würdest, wenn es keinen Grund gäbe. Also spar dir die Höflichkeitsfloskeln und rücke mit der Sprache raus. Was willst du? Interessiert mich wirklich brennend, was es gibt .«
Ferry erzählte ihm die Geschichte, nicht in allen Einzelheiten, aber genug, damit Leo sich ein Bild machen konnte.
» Wow , klingt wirklich interessant. Ich habe zurzeit eine Mitarbeiterin, die Publizistik und Netzwerktechnik studiert hat, die ist seit einiger Zeit an dem Thema IP-Sicherheit und Hacker dran. Sie schreibt ihre Doktorarbeit zu diesem Thema und wird uns helfen können, einen Ansatzpunkt zu finden .«
»Eine Journalistin ist eigentlich das Letzte, was ich jetzt brauchen kann .«
»Sei nicht blöd, Ferry, das klingt nach einer großen und interessanten Sache. Wir sollten das im ersten Schritt nicht von der technischen Seite angehen. Wer immer das ist, es klingt so, als ob er uns voraus ist.
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