Takeover
frühen Morgen zu mir kommen. Ich erlebe die Höhen und Tiefen des Lebens und das jeden Tag aufs Neue. Kennen Sie einen anderen Job, bei dem mir das geboten wird ?«
Es wurde Zeit, dass er nach Deutschland zurückkehrte. Ferrys erster Gedanke war, dass Judith zurück nach England gehen sollte. Wenn das Syndikat sah, dass sie beide sich getrennt hatten, war sie vielleicht außer Gefahr.
Es würde nicht leicht werden, Judith davon zu überzeugen. Und je länger er darüber nachdachte, desto weniger war er selbst von der Richtigkeit des Gedankens überzeugt. Das Syndikat wusste, wie eng Judith und er zusammengearbeitet hatten. Judith war in England nicht sicherer als in Deutschland. Eher weniger. Es war wohl sinnvoller, wenn sie zusammenblieben. Schließlich war er ein Mann des öffentlichen Interesses. Es war nicht so einfach ihn umzubringen, zumindest würde es wohl etwas Aufsehen erregen. Und genau daran war dem Syndikat absolut nicht gelegen. Also war Judith zusammen mit ihm wahrscheinlich weniger gefährdet als allein.
Er suchte sich in der Hotelhalle ein Telefon und rief Judith an. Er hatte damit gerechnet, dass es eine Weile dauern würde, bis sie ans Telefon ginge. Stattdessen meldete sie sich fast sofort und klang außerdem hellwach.
»Hallo, hier ist Ferry. Du bringst mich etwas aus dem Konzept. Eigentlich wollte ich mich erst mal bei dir entschuldigen, dass ich dich geweckt habe, aber du bist schon wach, oder ?«
»Ja, ich konnte nicht mehr schlafen. Ich bin schon eine Weile wach. Und was treibst du so morgens um drei ?«
»Ich bin der Hotelhalle, in der Bar gibt es einen Philosophen, der um diese Zeit bereits Frühstück serviert. Hast du Lust, etwas zu besprechen? Diana hat mich angerufen, in Berlin ist eine Menge passiert .«
»Ich muss mich nur noch fertig machen. Sagen wir in zwanzig Minuten ?«
»Ja, super«, erwiderte Ferry und legte auf.
Ferry ging vor die Tür, um sich die Zeit zu vertreiben. Er dachte darüber nach, dass Judith schon wach gewesen war, und erinnerte sich an das Gespräch mit dem Barkeeper. Er hätte gern gewusst, was mit ihr los war. Aber wenn sie es ihm nicht anvertrauen wollte, hatte er das wohl zu akzeptieren, auch wenn es wehtat.
Ferry berichtete Judith, was Diana ihm gesagt hatte. Er erzählte ihr auch von seinen Überlegungen bezüglich ihrer Sicherheit. Beide kamen schließlich überein, zusammen so schnell wie möglich nach Berlin zu fliegen und dort weiterzusehen . Sie wollten das Versteckspiel beenden.
Es hatte sowieso keinen Sinn.
Ferry buchte den nächsten Flug nach Frankfurt. Diesmal bezahlte er mit seiner Kreditkarte und er buchte First Class . Keine drei Stunden nach ihrem gemeinsamen Frühstück saßen sie im Flugzeug nach Deutschland. Judith flog zum ersten Mal First Class und war begeistert von dem Platz und der Bequemlichkeit, die sie hier hatten. Sie verschlief die ersten Stunden des Fluges in den bequemen Liegesesseln. Erst als man das Essen brachte, wurde sie wieder wach. Ferry und Judith aßen schweigend, beim Kaffee versuchte Ferry ein Gespräch zu beginnen.
»Hast du gut geschlafen ?«
»Ja, es war auch notwendig, nach der kurzen Nacht. Nicht schlecht, die First Class , könnte mich dran gewöhnen .«
»Als du heute Nacht nicht schlafen konntest, woran hast du da gedacht? Ans Syndikat?«
Judith sah aus dem Fenster in die Wolken, schließlich drehte sie sich zu Ferry um.
»Angela tut mir schrecklich leid. Die blauen Flecke werden zwar verblassen, aber es gibt schlimmere Dinge, die man einer Frau antun kann. Sie verändern dein Leben für immer, du vergisst sie nie und irgendwie stirbt etwas in dir .«
Ferry wusste keine Antwort, die jetzt richtig gewesen wäre, und so fragte er das Naheliegendste .
»Ist dir das passiert, Judith ?«
Judith nickte.
»Ich bin in einem kleinen Ort in der Nähe von Cambridge aufgewachsen. Als ich fünfzehn war, habe ich in den Ferien meinen ersten Job angenommen. Als Aushilfe in einem Supermarkt. Marc Barrings , der Besitzer des Supermarktes, war am Anfang immer sehr freundlich zu mir. Dann wollte er, dass ich ihm morgens einen Kuss zur Begrüßung gebe und ihn umarme. Das wollte ich nicht. Daraufhin wurde er immer unfreundlicher. Ich hatte immer viel im Lager im Keller des Supermarktes zu tun. Die Waren wurden dort angeliefert, sortiert und dann nach oben in den Laden gebracht und in die Regale eingeräumt. Da unten im Keller hat er mir dann aufgelauert .«
Ferry konnte sehen, dass Judith
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