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Takeover

Takeover

Titel: Takeover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Karnani
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Die letzte Begegnung mit Rolf war ihr noch deutlich anzusehen. Sie hatte sich zwar intensiv geschminkt, aber leider ohne großen Erfolg. Also hatte sie eine Geschichte von einem Autounfall erfunden und so, wie sie aussah, nahm man ihr das ohne weiteres ab. Und falls nicht, war es ihr auch egal. Es war offensichtlich, dass Öffentlichkeitsarbeit bei GermanNet noch nie so wichtig war, wie gerade jetzt. Deshalb war ihr Platz im Büro. Angela wollte sich von ein paar blauen Flecken nicht von der größten Herausforderung abhalten lassen, vor die sie ihr Job je gestellt hatte. Es ging immerhin um zehntausende von verärgerten Kunden, die man nicht verlieren wollte.

     
    Das Netz funktionierte inzwischen zwar wieder erstklassig, aber noch in der Nacht hatten sehr viele Kunden eine Kündigung oder eine Beschwerde an GermanNet gemailt . Und immer noch gingen weitere Kündigungen ein. Angela setzte sich sofort mit dem Call Center zusammen. Nach langen und hitzigen Diskussionen setzte sie sich schließlich mit ihrer Idee durch. GermanNet wollte bei allen verärgerten Kunden anrufen, um sich persönlich bei ihnen zu entschuldigen, und sie zu bitten, ihre Kündigung zurückzunehmen. Das würde zwar Wochen in Anspruch nehmen, aber Angela war der Meinung, dass das der einzig richtige Weg war, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen . Der Erfolg sollte ihr später schließlich Recht geben. Es sollten nur sehr wenige Kunden sein, die nach dem Telefonat noch auf ihrer Kündigung bestanden.

     
    Ein Analyst und Kenner der europäischen Telekommunikations-Industrie erklärte in der Financial Times Deutschland, dass nach der überwundenen Revolte bei GermanNet die Mitarbeiter nun wieder hochmotiviert seien. Die wichtigste Erfolgskomponente von GermanNet sei nur kurzzeitig verloren gegangen. GermanNet zeige die bei weitem beste Performance aller europäischen Internet Service Provider und eine der günstigsten Kostenstrukturen der Branche. Er stufte die Aktie daher als deutlich unterbewertet ein.
    Der Analyst sollte Recht behalten: Der Aktienkurs erholte sich innerhalb einer Woche. Es wurden nicht nur die verlorenen 30% zurückgewonnen , sondern die Aktie legte noch weitere zehn Prozent zu.

     
    In einem Interview erklärte ein bekannter Professor der London Business School, dass die aktuellen Ereignisse bei GermanNet zeigten, dass im Informationszeitalter Know-how und das Wissen der Mitarbeiter die wichtigste Ressource eines Unternehmens seien.
    GermanNet benutze die gleiche Infrastruktur, die gleiche Technologie wie alle seine Wettbewerber. Trotzdem erreiche es die beste Qualität der Branche. Oder eben auch die Schlechteste. Zwischen dem ersten und letzten Platz, zwischen Erfolg und Misserfolg entscheide allein das Engagement und die Fähigkeiten der Mitarbeiter. GermanNet wäre es gelungen, genau diese Ressource besser zu nutzen als die Konkurrenten und hatte damit die beste Ausgangsposition für den Wettbewerb erreicht. Der Professor kam zu dem Schluss, dass, vorausgesetzt der Aufsichtsrat mache keine weiteren Fehler, GermanNet die Nummer eins in Europa bleiben und diese Position noch ausbauen werde. Nach diesem viel zitierten Interview wurde auch dem Letzten klar, dass Rolf Keller nicht mehr zu GermanNet zurückkehren würde.

     
    Vom stürmischen Anstieg, den der Aktienkurs von GermanNet in den nächsten Wochen wieder nehmen würde, ahnte Ferry noch nichts. Und selbst wenn er es gewusst hätte, es wäre ihm im Moment wahrscheinlich ziemlich gleichgültig gewesen. Ferry hatte wichtigere Probleme, er wollte, dass Judith und er überlebten.

10

     
    Ferry war dabei sich einen Plan zurechtzulegen, der genau das ermöglichen sollte. Er war zu dem Schluss gekommen, dass es nur einen Weg gab: Er musste mit dem Syndikat verhandeln. Damals in Cambridge hatte er die Warnung dummerweise ignoriert und sie damit alle in Gefahr gebracht. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät, um zu einer Lösung zu kommen. Zumindest konnte er versuchen, die anderen aus der Schusslinie zu bringen. Er wollte keinen mehr mit reinziehen. Und vor allem sollte Schluss sein mit den dilettantischen Detektivspielen.

     
    Ihm war eingefallen, dass er vor seiner Abreise Doris aus dem OC gebeten hatte zu recherchieren. Sie musste sofort damit aufhören.
    Doris war sehr erfreut, als sie einen Anruf von Ferry erhielt.
    »Hallo Doris, hier ist Ferry. Ich wollte fragen, ob du mir einen Gefallen tun kannst ?«
    »Jederzeit. Schön, dass du anrufst«, antwortete

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