Tal der Traeume
meine Antwort hören willst, solltest du mich ausreden lassen. Maudie, du bist im Busch geboren und hast dich hier immer wohl gefühlt, aber ich kann es einfach nicht mehr. Ich habe versucht, es Zack und Lucy zu erklären. Ich kann mich über nichts beschweren, doch darum geht es nicht. Ich möchte nicht mehr hier draußen leben. Ich will in die Stadt…« Sie fuhr in ihren Erklärungen fort, die für Maudie keinen Sinn ergaben, bis Sibell erwähnte, sie denke schon lange darüber nach und sei letztendlich zu dem Schluss gelangt, dass sie diesen Schritt im Bewusstsein ihres Alters jetzt oder nie tun müsse. »Ha!«, rief Maudie, als habe sie alles durchschaut. »Die Wechseljahre, das ist alles. Du kommst in die Wechseljahre! Ich bin älter als du, ich kenne das. Zum Glück hatte ich nie Probleme damit, bin aber auch ein aktiverer Mensch. Viele Frauen drehen zu dieser Zeit völlig durch. So schlimm ist es bei dir nicht, aber ich kenne die Symptome. Plötzlich willst du einfach nur noch weg…« »Es kam nicht plötzlich, Maudie.« »So wenig wie dieser Wechsel. Er schleicht sich ein. Du musst morgen mit diesem Arzt reden, er gibt dir ein Tonikum. Mrs. Walsh schwört darauf. Und du solltest mehr reiten. Ein scharfer Ritt jeden Morgen. Du reitest nicht mehr viel, oder?« »Nein, es ist zu heiß.« »Dann steh früher auf. Denk nicht so viel über dich nach, darin liegt das eigentliche Problem. Viele Frauen tun das, grübeln über ihr Leben nach und setzen sich Flausen in den Kopf. Und jetzt möchte ich nichts mehr hören vom Weggehen. Du bringst alles durcheinander. Gott weiß, dass dein armer Mann auf diese Sorgen gut verzichten kann.« »Das mag sein«, sagte Sibell schwach. Es war der leichtere Weg. Es ging nicht um irgendwelche Wechseljahre, es ging um einen wirklichen Wechsel, um eine Veränderung ihrer Lebensweise, doch ein Streit mit Maudie war sinnlos. Zack würde sich erholen, er war stark. Irgendwann würden sie gemeinsam nach Darwin fahren, und sie würde die erstbeste Schiffspassage nach Perth buchen, ungeachtet der möglichen Konsequenzen. Sie musste es einfach tun. Dank der Investitionen ihrer Schwiegermutter besaß sie eigenes Geld, und außerdem war Zack ein großzügiger Mann. Obgleich er aufgebracht und wütend über ihre Pläne gewesen war, hatte er sich entsetzt gezeigt, als sie erklärte, sie wolle kein Geld von ihm annehmen. »Hier geht es nicht um Geld!«, schäumte er. »Meiner Frau wird es nie an Geld mangeln. Es geht darum, ob du mich liebst oder nicht.« »Aber ich liebe dich doch… ehrlich. Ich kann bloß nicht hier bleiben.« Er verstand es ebenso wenig wie Lucy oder Maudie. Oder ihre Freunde. Sie hatte niemanden, an den sie sich wenden konnte, doch das war Teil des ganzen Problems. Die anderen liebten das Leben im Outback, genossen es geradezu. Die Entfernungen, den weiten Raum, die Abenteuer des Viehtriebs und der Musterungen, das Wachsen der Herden, ihre Pferde, Treiberpferde und Vollblüter gleichermaßen, und den endlosen Kampf mit dem Wetter… Sie konnte nicht mit Worten erklären, welchen Kurs sie einschlagen musste, bevor es zu spät war.
Maudie bewies immerhin genügend Takt, sich im Krankenzimmer fröhlich zu geben. Sie ergriff Zacks Hand und rückte einen Stuhl neben sein Bett. »Du bist mir vielleicht einer, alter Knabe. Ich habe gehört, du warst dabei, als ein Erdrutsch die Schlucht traf. Hättest einen Schlag auf den Kopf erhalten, dabei sieht der ganz gesund aus. Liegst du bequem hier?« Er rang sich ein Lächeln ab. »Das mit dem Schlag stimmt. Und dann kam der Speer.« Seine Stimme klang schwach und müde. Maudie schaute ihn liebevoll an. »In den Rücken. Die haben Glück gehabt, von vorn hätten sie dich nie erwischt. Verdammtes Pech, mein Schatz, aber das wird schon werden. Bist bald wieder auf den Beinen…« Lucy nahm ihre Mutter mit hinaus. »Maudie kann jetzt bei ihm bleiben. Ruh dich aus.« »Ich kann sie nicht allein lassen. Sie könnte ihn aufregen.« »So dumm ist sie nicht. Du musst dich ausruhen, ich bringe dir eine Tasse Tee.« Sibell schüttelte den Kopf. »Ich bin wirklich nicht müde, könnte aber einen Spaziergang vertragen. Ich bin seit Tagen nicht mehr vor die Tür gekommen.« »Gut. Meinst du, er wird wieder gesund?« »Natürlich. Die Wunde ist sauber, und der Arzt sagt, der Heilungsprozess würde jetzt einsetzen. Das gilt auch für die Lunge.« »Hoffentlich.« Lucy ging in ihr Zimmer, betrachtete niedergeschlagen den Koffer, der noch gepackt
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