Tal der Traeume
Seine Mutter hatte gesagt, er sei ein Held gewesen. Wieso? Was hatte er getan, um dieses Lob zu verdienen und den Namen eines Weißen obendrein? Sie hatte erklärt, er sei ein reinrassiger Schwarzer gewesen wie sie selbst, also stammte sein Name nicht von einem weißen Vater. Yorkey suchte nach ein paar Tagen einen alten Burschen namens Dodds auf, weil er gehört hatte, dass er schon lange auf der Station lebe. Es hieß, Dodds sei ein Viehhüter im Ruhestand, der gelegentlich noch Aushilfsarbeiten übernahm und mit seiner Missus in einer netten Hütte neben Caseys Haus lebte, aber meist in den Ställen zu finden war. Es war nicht schwer, ihn aufzutreiben; der säbelbeinige Graubart, der gerade einen Schuppen aufschloss, fiel ihm sofort auf. Auch machte es Yorkey keine Mühe, ein Gespräch anzuknüpfen. Er fragte Dodds, wie lange er auf der Station lebe. »Fast mein ganzes Leben«, sagte dieser. »Bin als Kind hergekommen, man hat mich sozusagen ausgesetzt. Hast du was zu rauchen?« »Sicher.« Yorkey drehte eine Zigarette und reichte sie Dodds. Dieser zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. »Gutes Zeug. Woher hast du das?« Er wunderte sich wohl, woher ein Schwarzer so guten Tabak hatte, doch das nahm Yorkey ihm nicht übel. »Von Casey.« »Tatsächlich? Hm… du bist der Bursche, der Zack hergebracht hat. Gut gemacht. Wie heißt du doch gleich?« »Yorkey.« »Nun, Yorkey, der Herr im Himmel wird es dir lohnen. Zack ist ein prima Bursche. Kenne ihn, seit er ein Dreikäsehoch war.« »Ehrlich?« Sie ließen sich auf einigen Packkisten nieder, die vor dem Schuppen standen, und Dodds, der sichtlich froh war, dass man ihm zuhörte, erzählte von seinem Vater, der hier draußen eine Viehstation aufbauen wollte, aber nach wenigen Monaten Bankrott gegangen war. »Hatte keine Ahnung von der Sache«, sagte Dodds. »Hat sein Vieh weit über Land getrieben und die meisten Tiere dabei verloren; der Rest fiel der Dürre zum Opfer. Mit dem Wissen, das ich jetzt habe, hätte ich die Sache herumgerissen, aber dieser Trottel hat nicht mal eine Hütte zu Stande gebracht. Ich und mein Bruder haben mit ihm im Busch kampiert. Sind beinahe verhungert, lebten von Schlangen und Buschfutter wie verdammte Abos. Wenn du gestattest.« »Schon gut«, meinte Yorkey. »Ja, nun… dann bringt er Stanley und mich hierher – Black Wattle war damals nichts Großartiges – und lässt uns bei Charlotte, Zacks Mutter. Sagte, er wolle nach Osten, unsere Mutter holen. Der Schweinehund ist nie zurückgekommen. Wir haben unsere Eltern nie wieder gesehen.« »Was ist aus deinem Bruder geworden?« »Stan? Kann mich kaum noch an ihn erinnern. Er ist ertrunken. War genauso verrückt wie sein Vater. Wollte einen Fluss bei Hochwasser durchqueren. Aber ich hatte keine verrückte Ader, sondern blieb bei den Hamiltons. Ich war fünfzehn Jahre lang Vorarbeiter, ich könnte dir vielleicht Geschichten erzählen.« Yorkey war zuvor schon Männern wie Dodds begegnet, die sich gern reden hörten, doch er gab ihm noch eine Zigarette und hörte sich die öden Geschichten an, weil er hoffte, etwas über Jimmy Moon zu erfahren. Doch endlich blieb ihm nichts anderes übrig, als direkt zu fragen. »Erinnerst du dich an einen Kerl namens Jimmy Moon? Hat wohl hier gearbeitet.« »Wenn ja, würde ich mich an ihn erinnern. Lass mich überlegen. Jimmy Moon. Nicht dass ich wüsste. Wann soll das gewesen sein?« »Vor ungefähr zwanzig Jahren.« »Zwanzig Jahre. Das war eine schlimme Zeit damals. Charlotte starb, eine wunderbare Frau. Habe ich dir erzählt, dass sie Stan und mich aufnahm und uns Unterricht erteilte, weil wir noch nie in der Schule gewesen waren? Und sie hat uns die ersten Stiefel gekauft. Oh, die haben wir gehütet wie unseren Augapfel.« »Jetzt zu Jimmy Moon. Er hat hier gearbeitet, wahrscheinlich als Viehhüter. Er war ein Schwarzer.« »Ach so, dann kann ich mich nicht an ihn erinnern. Sie kommen und gehen, wenn ich das so sagen darf, Kumpel.« »Na ja, ich hatte den Namen einfach aufgeschnappt. Seltsamer Name für einen Schwarzen. Angeblich steckt eine Geschichte dahinter. Irgendwie hat es mich neugierig gemacht.« »Kann ich mir denken. Schwarze lieben Geschichten. Aber warte mal, Jimmy Moon, der Schwarze! Nein, er hat nicht hier gearbeitet, jetzt fällt es mir wieder ein. Er kam nur zu Besuch her.« »Hat er bei den Schwarzen auf der Station gelebt?« »Nein, da war er ein bisschen eigen. War drinnen bei den weißen Bossen. Gott weiß, woher er kam. War
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