Tal der Traeume
hatten, und berichtete ihnen nur vom Mord an Mimimiadies Frau. Die anderen klagten nur noch mehr. »Wir sind sehr betrübt, das zu hören«, sagte einer der Ältesten zu ihm. »Aber ich würde gern mit Mimimiadie sprechen. Ist er nicht bei dir?« »Nein. Er und Gopiny hatten Angst, hierher zurückzukehren. Ich nicht«, prahlte er. »Die weißen Männer fassen mich nie, obwohl Mimimiadie meint, sie würden uns zu gut kennen.« »Ob das für dich und Gopiny gilt, weiß ich nicht«, entgegnete der Älteste. »Aber es stimmt, dass die Polizei Mimimiadie für einen Rädelsführer hält, sie haben ihn gesucht. Wann kommt er wieder?« »Nach der Regenzeit. Er ist in der Nähe der Schlucht. Ich muss seine Familie finden und von der Frau berichten.« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Es gibt noch mehr traurige Nachrichten. Als die Polizisten Mimimiadie nicht finden konnten, nahmen sie seinen Sohn Boomi mit.« »Was?«, fragte Matong entsetzt. »Warum sollten sie so etwas tun?« »Sie sagen, sie geben ihn zurück, wenn Mimimiadie sich stellt. Sofern man ihnen das glauben kann.« »Es ist nur eine Falle. Wenn sie Kinder mitnehmen, geben sie sie nie zurück.« »Das ist leider wahr«, bemerkte der alte Mann müde. »Aber Mimimiadie muss es dennoch erfahren.«
In den heftigen Diskussionen, die darauf folgten, fiel Matong ein, dass er gar nicht den Tod Djaramas in der Schlucht erwähnt hatte, doch da der Junge hier keine Verwandten besaß, war es einstweilen nicht von Bedeutung. Es hatte keinen Sinn, sie mit Geschichten über ihre Taten in der Schlucht zu ängstigen. An diesem Abend sprach man über Vergeltung, einen Angriff auf ein Wohnhaus oder eine Viehherde, um Rache für die Verhaftung der drei jungen Männer zu nehmen, die man gewiss einkerkern oder hängen würde. Immer mehr Männer versammelten sich um das Lagerfeuer, es ging dramatisch zu. Manche meinten, Vergeltungsschläge würden noch mehr Ärger verursachen, andere bestanden auf einem schnellen Angriff, der den einzig ehrenhaften Weg darstelle, während die meisten vorschlugen, die weißen Missionare um Hilfe zu bitten. Sie sollten zu den weißen Bossen gehen und schwören, dass man die Falschen verhaftet hatte. Verlangen, dass sie zurückkehren durften, sonst würden die Stammesleute Vergeltung in Erwägung ziehen. In einem Punkt aber waren sich alle einig: Jemand musste Mimimiadie umgehend von der Entführung seines kleinen Sohnes in Kenntnis setzen. Er würde wissen, was zu tun war. Matong wurde als Bote auserwählt. Nun bereute er, dass er geprahlt hatte, wie einfach die Durchquerung des gefährlichen Landes gewesen sei. Dumm von ihm, aber weigern konnte er sich nicht, er hatte einen Auftrag erhalten.
Numinga, der sich nicht darüber im Klaren war, dass Matongs Handeln ihn in Gefahr brachte, wanderte unwillig weiter. Er war enttäuscht, weil er das große Plateau verlassen musste, von dem aus er die Welt wie ein Adler hätte betrachten können, von einer trockenen, sicheren Höhle aus, dem Zugriff der Feinde entzogen. Dank dieser elenden Hitzköpfe musste er wieder von vorn beginnen. War erneut auf der Flucht. Ihm blieb jetzt nichts anderes übrig, als seinen Plan zu verfolgen und wieder in die Welt des weißen Mannes zu gehen. Er gestattete sich noch einige Tage gemächlichen Wanderns, wobei er im Wissen um den aufziehenden Monsun im hohen Norden die heiße, feuchte Luft auf der Haut genoss. Schon waren vereinzelte Wolken am Horizont zu sehen. Selbst jetzt hatte er keine Eile, als er das Wohnhaus einer Station erblickte, denn er hatte in einem breiten, entlegenen Flussbett Wasser gefunden. Er sah sich in der Gegend um und entdeckte zu seiner Freude keine Spuren von Rindern oder Pferden. Dieser Ort würde überflutet werden, wenn der Fluss zum Leben erwachte, daher hatten die Viehzüchter ihre Tiere davongetrieben. Niemand würde sich in diese Gegend verirren, so dass er hier gut und gern für eine Weile sein Lager aufschlagen konnte. Ein Feuer konnte er zwar nicht entzünden, doch was bedeutete das schon gegen ein paar Tage wirklichen Friedens. Als er sich zum Aufbruch entschloss, streifte er in der Abenddämmerung um das Wohnhaus, wahrte aber Distanz.
Numinga brauchte Kleidung, und es gab zwei Wege, sich welche zu beschaffen. Er konnte sein Versteck verlassen und das Anwesen nach Schwarzen durchkämmen, die irgendwo ihr Lager hatten. Sie würden ihm Hemd und Hosen leihen, ausrangierte Kleidungsstücke der Weißen, die man ihnen gab, weil sie sich
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