Tal der Traeume
davon gesehen. Vergessen Sie es.« »Wollen Sie behaupten, Sie seien ohne Schuld, Mr. Oatley?«, fragte der Missionar mit zitterndem Schnurrbart. »Wir sind alle bloß Eindringlinge, aber einige von uns bemühen sich nach Kräften, darunter auch meine Familie. Auf unserem Land sind sie wenigstens geschützt.« »In diesem Fall verlangt die Bibel, dass man sie dem Christentum zuführt, sonst leugnen Sie Ihre Pflicht gegenüber dem Herrn. Gott helfe Ihnen, Mr. Oatley, wenn Sie diese Gelegenheit nicht nutzen.« »Gott hat damit gar nichts zu tun«, sagte William müde. Dies war das Ende seiner Expedition in die Traumwelt des Glaubens, der Albernheiten, die so weit führten, dass Damen in der Kirche Hüte tragen mussten, um nicht ein Wesen zu verärgern, das nach neuesten Berechnungen mehrere Millionen Jahre alt sein musste.
Um Harriets Gefühle zu schonen, hatte William seine Ansichten für sich behalten und auch nicht erwähnt, dass der Missionar vom Daly River mittlerweile Vikar ihrer Kirche geworden war. Er hieß nun Reverend Walters und diente der protestantischen Gemeinde, der einzigen Kirche, die neben der katholischen in Darwin existierte. Er traf ein wenig verspätet bei der Kirche ein, und Harriet wartete schon auf ihn. Sie befand sich in Begleitung von Walters höchstpersönlich, dessen buschiger Schnurrbart gestutzt war und der seine weiße Tropenkleidung gegen einen würdevollen schwarzen Talar eingetauscht hatte. »William!« Seine Frau begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Reverend Walters hat schon auf dich gewartet. Es gibt Neuigkeiten. Wir werden bald Nachbarn sein.« »Nachbarn? Was soll das heißen?« »Wir haben das freie Grundstück gleich neben Ihrem gekauft«, antwortete der Reverend aufgeregt. »Endlich bekommen wir unsere neue Kirche, eine anglikanische Kirche. Unser Bischof in Adelaide hat letzte Woche die Gelder bewilligt.« William war verblüfft. »Welches freie Grundstück? Mir gehören die Grundstücke links und rechts von meinem Büro.« Seine Frau lachte. »Ach, Schatz, der Reverend meint das Land neben unserem Wohnhaus. Ich bin so froh, wenn endlich das ganze Unkraut wegkommt, es steckt bestimmt voller Schlangen.« »Neben meinem Haus?«, fragte William fassungslos. »Sie wollen dort eine Kirche bauen? Das werden wir ja sehen!« »William, nun hab dich nicht so«, rief Harriet, doch er wandte sich an Walters. »Denken Sie noch einmal darüber nach, Reverend. Ich möchte aus meinem Fenster nicht auf eine Kirche samt einem Haufen Frömmler blicken. Die Esplanade ist kein geeigneter Ort dafür. Bauen Sie sie an der Smith Street oder sonst wo, es gibt genügend Bauland in dieser Stadt.« Walters behauptete sich. »Tut mir Leid, dass Sie es so empfinden, Oatley, aber unsere Entscheidung ist gefallen. Das Land gehört nun der Kirche, und ein Architekt in Adelaide entwirft bereits die Pläne. Und was die Esplanade betrifft«, fügte er bissig hinzu, »so kann sie eine Kirche vertragen; schließlich hat sie seit Jahren mit einem Hotel gelebt. Die Diskussion erübrigt sich daher. Ich wünsche Ihnen, Sir, und Ihnen, Mrs. Oatley, einen guten Tag.« »Das werden wir noch sehen!«, rief William ihm hinterher. »Die bauen keine Kirche neben meinem Haus«, sagte er zu Harriet. Ihr war die Sache peinlich. »Wie kannst du nur so unhöflich sein? So kenne ich dich gar nicht. Und ausgerechnet zu Reverend Walters. Ich verstehe nicht, weshalb du dich so aufregst.« »Hast du denn nicht zugehört?«, knurrte er. »Ich will keine Kirche neben meinem Haus haben. Ich lasse mir meinen Sonntag nicht von Psalmensängern ruinieren.« »Es gibt wahrhaftig Schlimmeres. Ein zweites Hotel, zum Beispiel.« »Auch das möchte ich nicht. Und hör bitte auf, mit mir zu streiten. Ich kann auf deine schwachköpfigen Bemerkungen gut verzichten!« Sie gingen schweigend heim. William zeigte ihr nicht wie geplant die Brigg, sondern eilte an seinen Schreibtisch, um entsprechende Eingaben zu verfassen. Harriet war den Tränen nahe. Ihr Mann mochte manchmal etwas knurrig sein, doch nie zuvor hatte sie ihn so zornig und uneinsichtig erlebt.
Die ersten echten Schwierigkeiten tauchten am folgenden Montagmorgen auf. William empfand seine Besucher, Theodore Perdoe und dessen Sohn Jay, als gut gelauntes Paar, das seine Pazifikkreuzfahrt und das Inselhüpfen in Richtung Darwin genossen hatte. Sie bezeichneten es als unvergessliches Abenteuer. Er hatte sie am Hafen getroffen, war mit ihnen den kurzen Weg zum Hotel zu Fuß gegangen
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