Tal der Träume
entschied er, nichts zu unternehmen. Sie mussten einfach vorsichtiger sein. Warum sollte er seine finanzielle Zukunft aufs Spiel setzen? Harriet war fügsam, es gab keinen Grund für ihn, die Affäre zu beenden. Wäre es nicht besser, die Dinge unverändert zu lassen, anstatt sich Harriet mit ihren kostspieligen Neigungen an den Hals zu hängen? Den Gedanken, dass Harriet ständig zu seiner Verfügung stand, so oft und so lange sie getrennt sein mochten, empfand er als verlockend. Er konnte sogar heiraten; viele Ehemänner hielten sich eine Geliebte.
Endlich hatte Myles einen Entschluss gefasst. Er und Harriet würden auf immer ein Liebespaar bleiben, und zwar in aller Stille. Er brauchte nicht mit ihr über diese Lösung zu diskutieren, im Laufe der Zeit würde sie sich von selbst ergeben.
Vielleicht sollte er noch einmal bei Lucy vorsprechen, um es diesem Emporkömmling Christy Cornford zu zeigen.
Sein Besuch bei den Hamiltons fand ein schnelles Ende.
Maudie sah ihn den Weg heraufkommen und eilte die Verandatreppe hinunter, um ihn in Empfang zu nehmen.
»Myles Oatley, du bist in diesem Haus nicht willkommen.«
»Verzeihung?«
»Du solltest deinen Vater um Verzeihung bitten. Und den Herrn!«, schleuderte sie ihm entgegen. »Und wenn du schon dabei bist: Hat dir niemand gesagt, dass unser Botanischer Garten kein Schlafzimmer ist? Verschwinde von hier!«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stapfte ins Haus. Myles stürzte entsetzt davon. Bei der Begegnung im Park hatte er sich völlig allein mit Harriet gewähnt. Es war am Nachmittag gewesen, der heißesten Zeit des Tages, wenn sich die meisten Leute in ihren Häusern aufhielten. Doch irgendjemand hatte sie gesehen. Wer nur? Vielleicht war man ihnen gefolgt, hatte sie ausspioniert. Wer sonst mochte davon wissen? Um Himmels willen, hatte William ihn etwa deshalb zur Rede gestellt?
Er war am Boden zerstört. Die ungeheuren Konsequenzen dämmerten ihm erst nach und nach. Harriet hätte ihn an den Kleinstadtklatsch erinnern sollen, er war so lange im Ausland gewesen. In London schien alle Welt Affären zu haben, gerade die verheirateten Leute, und niemand regte sich darüber auf. Hier jedoch gab es keine Privatsphäre. Wütend begriff er, dass die Klatschmäuler ihnen selbst dann eine Affäre angedichtet hätten, wenn er ihnen keinen Anlass dazu gegeben hätte. Beide waren jung und lebten unter demselben Dach. Nun gab es nur einen Ausweg. Sie mussten alles entrüstet von sich weisen, die zu Unrecht Beschuldigten spielen, falls das Thema zur Sprache kam. Er betete zu Gott, dass es nie so weit kommen werde, denn dann würde er sich von Harriet fern halten müsse. Keine Treffen mehr, keine Spaziergänge, keine süßen Momente im Haus …
Er zog sich für den Rest des Nachmittags ins Billardzimmer zurück und beschloss, an diesem und allen folgenden Abenden pünktlich zum Essen zu erscheinen, damit er das Alleinsein mit ihr möglichst vermied. Die Affäre ruhte vorübergehend, und irgendwann würde der Klatsch verstummen.
William wusste, dass er den feigen Weg einschlug, doch selbst Zorn und Rachsucht konnten nicht den Kummer vertreiben, der ihn quälte. Er empfand den Schmerz körperlich, kam sich alt vor. Er verlor Frau und Sohn und schämte sich so sehr, dass er es nicht länger ertragen konnte. Und die ganze Zeit verspürte er den Drang nach der Flasche, den Wunsch, seine Sorgen im Alkohol zu ertränken. Doch so weit durfte es nicht kommen. Der Busch war die Lösung, fünf Tage unterwegs mit Yorkey, das würde ihm auch ein Arzt als Weg zum gesunden Leben empfehlen. Danach würde er eine Weile bei Pop bleiben, ohne die Affäre zu erwähnen. Weiter in die Zukunft wagte er nicht zu blicken.
Beim Abendessen verkündete er, er werde am nächsten Morgen nach Warrawee aufbrechen, und baute ihren Fragen durch die Erklärung vor, er mache sich Sorgen um Pop.
»Dann komme ich mit«, sagte Myles. Traurig bemerkte William die Überraschung seiner Frau.
»Nein, ich reite mit Yorkey, du bleibst in der Stadt. Ich möchte nicht, dass du die Weihnachtsfeierlichkeiten verpasst.«
»Aber ich habe Pop noch gar nicht gesehen. Ich würde gern mitkommen.«
»Und Harriet allein in Darwin lassen? Nein, ich bleibe nur ein paar Wochen weg. Weihnachten bin ich wieder da.«
»Warum fahren wir nicht alle?«, fragte Harriet.
»Um diese Jahreszeit ist es mit dem Wagen zu schwierig. Es dauert zu lange, dem Morast auszuweichen, und die Flüsse treten bald über die
Weitere Kostenlose Bücher