Tal der Träume
bessere Kleider«, sagte er schließlich. Sofort holten sie ein rot kariertes Hemd, Arbeitshosen, Stiefel, einen Hut aus ungegerbtem Leder und sogar eine Viehpeitsche hervor.
»Und ein Pferd.«
»Das Pferd kommt«, sagte Garradji, der Sprecher des Ältestenrates. »Ohne Sattel und Zaumzeug komme ich allerdings nicht weit«, entgegnete Numinga, doch auch daran hatten sie gedacht.
Eine Frau schnitt ihm den langen, grau melierten Bart ab und rasierte ihn mit Pflanzenseife und einem scharfen Stein. Sie kürzte auch die Augenbrauen und schnitt sein Haar auf Ohrlänge ab. Numinga meinte, in Garradjis tränenden Augen ein seltenes Aufblitzen von Heiterkeit zu bemerken.
Die Frau spie in eine Kürbisflasche, mischte eine Paste und trug sie auf sein Haar auf.
»Was tust du da?«, erkundigte er sich.
»Ich mache dich jung. Dein Haar sieht jetzt nicht mehr alt aus«, grinste sie. Er bemerkte, dass die Paste schwarz war. Eigentlich färbten sich nur weibische Männer die Haare.
Mimimiadie war begeistert. »Du siehst ganz anders aus. Hätte dich vielleicht gar nicht erkannt. Und jetzt los.«
»Wohin?«
»Zur Schlucht. Dort kampieren wir. Am selben Ort. Gopiny wartet auf uns, und Garradji kommt auch mit, damit du nicht wegläufst.«
Numinga betastete sein glattes Gesicht und fragte sich, wie er wohl aussehen mochte. Sein Leben lang hatte er einen Bart getragen, genau wie sein Vater, und er fühlte sich ganz nackt. Er wandte sich an Garradji.
»Nun bin ich ein neuer Mann. Bitte die Geister, mir Weisheit für diesen Auftrag zu geben, denn ich bin nur ein schwacher Mensch.«
»Du bist mehr als das«, erwiderte Garradji tonlos. »Für mich bist du neu, aber ich habe dich beobachtet. Du trägst die Geister und die Weisheit in dir.« Er sah Mimimiadie an. »Du irrst dich. Du sagtest, der Mann sei ein Krieger.«
»Er hat einen Weißen getötet. Das ist eine Tatsache.«
»Aus Gerechtigkeit, denke ich. Ihr beide passt nicht zusammen, aber nun gibt es kein Zurück. Wir müssen den Jungen finden. Sie haben schon so viele unserer Kinder mitgenommen. Dieses ist eins zu viel.«
Erst jetzt verstand Numinga, dass Mimimiadie trotz aller aggressiven Pläne, die man diskutiert hatte, diese Unternehmung nicht anführte. Sein Magen zog sich erneut zusammen. Die alten Männer wollten ein Zeichen setzen, und er stand zwischen den Fronten.
Während er in der grauenhaften Hitze durch die kleine Siedlung Pine Creek ging, fragte sich Numinga, weshalb die Weißen sich dieses Leben antaten. Zugegeben, es gab einen Bahnhof, ein Telegrafenbüro und ein wenig Zivilisation für Männer, die noch immer vergeblich nach Gold suchten, doch in der Nähe boten sich weitaus freundlichere Orte an, wo sie ihr Lager hätten aufschlagen können. Östlich dieser kargen Kleinstadt gab es natürliche Wasserstellen, die Erfrischung verhießen und schön gelegen waren. Er konnte nicht verstehen, weshalb sich die Menschen hier zusammendrängten. Andererseits war er ganz froh, dass die Weißen nicht die Geister des Wassers, der Luft und der Vögel in Zorn brachten, indem sie dort ihre hässlichen Häuser aus Holz und Eisen bauten.
Er hatte nicht die geringste Vorstellung, was er tun oder wen er fragen sollte, spähte in jedes Gebäude in der Hoffnung, Boomi zu entdecken, fand aber keine Spur von ihm. Er erkundigte sich bei den Aborigines, die sich in der Stadt herumtrieben, und jagte ihnen mit den Geistern Angst ein, doch auch sie hatten den Sohn des berühmten Mimimiadie nicht gesehen.
Numinga hatte kein Geld. Daran hatten sie nämlich nicht gedacht. Daher musste er sich auf seine eigenen Leute verlassen, so arm sie auch sein mochten, und sich von ihnen durchfüttern lassen, bis er etwas Geld mit dem Ausmisten von Ställen verdient hatte. Ein Gutes kam jedoch dabei heraus: Er begegnete Constable Smith auf der Straße, und der junge Narr erkannte ihn nicht. Nun fühlte sich Numinga zuversichtlicher und sicherer. Mit dem verdienten Geld konnte er sich der nächst höheren Stufe in der Rangordnung der Aborigines nähern, den Viehhütern, die an der Hintertür des Pubs Alkohol kaufen durften. Manche von ihnen hatten von der Entführung des Jungen gehört und bekundeten ihr Mitgefühl, konnten aber nicht helfen.
Schließlich schickte Numinga einen Mann, dem er vertraute, in die Schlucht, damit er Mimimiadie berichten konnte, dass Boomi sich nicht in Pine Creek befinde. Er selbst würde nach Süden in Richtung Katherine ziehen, wo sich das Hauptquartier der
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