Tal der Träume
wenn du es so genau weißt«, fauchte Harriet.
»Ich habe nur gedacht, dass du vielleicht nicht richtig schlafen kannst. Falls dich die Hitze stört, könnte ich auch ins Gästezimmer ziehen.«
Überrascht stimmte sie zu.
»Oh, William, wäre das möglich? Das würde es leichter machen. Ich meine, wir schwitzen ohnehin so sehr, kein Wunder, dass wir keinen Schlaf finden.«
Er nickte, missbilligte aber ihre eifrige Zustimmung. »Dann veranlasse doch bitte, dass Tom Ling meine Sachen ins andere Zimmer bringt.«
Bevor sie davoneilen konnte, stellte er eine weitere Frage. »Wie sieht es übrigens mit Myles und Lucy aus? Wie ich höre, werden die Hamiltons allmählich ungeduldig.«
»Tatsächlich? Dann sollten sie mal Lucy fragen. Sie trifft sich mit Christy Cornford. Ein nettes Paar.«
Das waren keine guten Neuigkeiten. Kein Wunder, dass Maudie die Sache in die Hand genommen hatte. In ihren Augen konnte Cornford einem Oatley nicht das Wasser reichen. Dieser verdammte Kerl, musste er denn in alles seine Nase stecken? Lucy war Williams letzte Chance gewesen, das Paar zu trennen, doch wenn man es ehrlich betrachtete, war Christy vermutlich eine bessere Wahl als Myles mit seinem schändlichen Verhalten. Immerhin gab er offen zu, dass er auf der Suche nach einer passenden Ehefrau war. Vielleicht würden die Hamiltons ihn akzeptieren, um Lucy die Demütigung zu ersparen, von Myles sitzen gelassen zu werden.
Myles kam nicht zum Essen nach Hause. Als er endlich eintraf, erwartete ihn sein Vater. Leider hatte William in der Zwischenzeit noch mehrere Gläser Whisky getrunken. Er passte Myles auf der Veranda ab.
»Da bist du ja! Ich dachte schon, du wärst ausgezogen. Bekomme dich in letzter Zeit selten zu Gesicht.«
»Ich bin nie weit weg.«
»Hast du dich gut amüsiert?«
»Ja, wobei die Gesellschaft in Darwin nicht gerade prickelnd ist.«
»Dann solltest du vielleicht wieder abreisen.«
»Ehrlich gesagt würde ich es gerne tun. Mein Herz hängt an Millford, ich kann es gar nicht erwarten, dorthin zu ziehen.«
»Warum fährst du nicht gleich?«
Myles ließ seinen Mantel auf einen Stuhl fallen. »Hast du getrunken, Vater?«
»Nicht viel«, meinte William freundlich. »Ich habe gefragt, warum du nicht gleich fährst?«
Myles setzte sich in einen Korbsessel. »Herrgott, was ist bloß in dich gefahren, Vater? Erstens möchte ich bis Weihnachten bleiben, zweitens sind die Straßen durchweicht. Um diese Jahreszeit schaffe ich es nie bis Millford.«
»Die Straßen sind trocken, da draußen ist nicht mal genügend Regen gefallen, um eine Schnecke zu ertränken.«
»Gut, aber wie steht es mit Weihnachten? Ich freue mich auf ein Familienfest.«
»Was? Du, ich und Harriet?«
»Und alle unsere Freunde.«
»Verstehe. Aber mir scheint, dass du bald keine Freunde mehr haben wirst.«
»Was soll das heißen?«
Tom Ling steckte den Kopf zur Tür herein. Noch nie hatte William ihn so betrübt gesehen. »Ihr Zimmer fertig, Herr. Nicht mehr trinken. Gehen zu Bett.«
»Hau ab«, zischte Myles, und der Chinese verschwand.
»Lucy«, sagte William und bemühte sich, seine Gedanken auf das Gespräch mit seinem Sohn zu konzentrieren.
»Ach, du hast also davon gehört. Lucy hat einen neuen Verehrer.«
»Du gibst also ihr die Schuld am Ende eurer Beziehung?«
»Nein, das tue ich nicht, Dad, wir haben uns einfach auseinander gelebt. Es tut mir Leid, dass wir damit deine Pläne und die der Hamiltons durchkreuzen, aber das passiert gelegentlich.«
»Also gibt es zurzeit keine Frau in deinem Leben?«
»Stimmt genau.«
»Darf ich das Harriet mitteilen?«
»Was?« Myles schrie die Frage beinahe heraus.
»Du hast mich verstanden«, erwiderte William gefasst. Erstaunlich, wie sehr ihn der Alkohol beruhigte.
»Willst du mir etwas vorwerfen?«
»Nein, ich will die Wahrheit hören. Hast du eine Affäre mit Harriet?«
Myles schoss in die Höhe. »Wie kannst du mir etwas so Unglaubliches unterstellen? Bist du verrückt geworden? Oder nur ein eifersüchtiger alter Narr, der blind vor Liebe ist? Ich gehe zu Bett und erwarte morgen früh eine Entschuldigung von dir, wenn du wieder nüchtern bist.«
Tom Ling hatte den Zwischenfall vom Ende der Veranda aus beobachtet. Nachdem Myles davongestürmt war, näherte er sich William. »Ich mache guten, heißen Tee, Herr, und süße Kekse. Kommen mit.«
»Danke«, entgegnete William erschöpft und ließ sich von Tom auf die Füße helfen. Mittlerweile verursachte ihm der Alkohol rasende
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