Tal der Träume
es dich überhaupt kümmert, ja. Er wurde von einer Horde Schwarzer entführt. Wo ist Myles?«
»Er wohnt im
Victoria Hotel
«, sagte Harriet eilig. »Wir dachten, da sein Vater weg ist …«
»Das ist
mir
doch egal!«, rief Lucy und wandte sich ab.
»Warte, was kann ich tun?«, rief Harriet.
»Bleib zu Hause und halt den Mund. Schließlich soll es nicht alle Welt erfahren.«
Und schon rannte sie los in die Stadt. Harriet stand wie betäubt auf der Schwelle. Was sollte das heißen, von Schwarzen entführt?
An diesem Morgen beschloss Myles, sich im Büro sehen zu lassen und diesen Emporkömmling Leo im Auge zu behalten.
Er betrat forschen Schrittes das Büro, sah Leo im Hinterzimmer und nahm sofort an Williams Schreibtisch Platz. Er griff nach einer Akte und las, dass der Besitz der Walshs zum Verkauf stand. Während er die Beschreibung der Station studierte, kam Leo herein.
»Nehmen wir es jetzt mit den Viehagenten auf und handeln mit Stationen?«
»Das haben wir in einem gewissen Rahmen schon immer gemacht«, sagte Leo. »Was kann ich für Sie tun, Myles?«
»Im Moment gar nichts. Wie viel verlangt Walsh für seine Station?«
»Das steht noch nicht fest. Mrs. Walsh wartet auf Angebote meiner Klienten.«
Myles grinste bei der Bemerkung. »Aha, und wer sind, wenn ich fragen darf, unsere Klienten?«
»Das ist ein Geschäftsgeheimnis, Myles, außerdem sitzen Sie, wenn ich das sagen darf, auf meinem Stuhl.«
»Oho! Wenn die Katze aus dem Haus ist … Aber ich brauche den Schreibtisch während Williams Abwesenheit. Ich habe einige Briefe zu erledigen.«
»Myles, hat Ihr Vater es Ihnen denn nicht gesagt? Er hat die Firma verkauft.«
»Wie bitte?« Myles schoss von seinem Stuhl hoch. »Wann denn das?«
»Bevor er aufgebrochen ist. Sie gehört ihm nicht mehr.«
»Das glaube ich nicht. Was ist denn das für ein Spiel?«
»Es ist kein Spiel. Dies ist jetzt mein Büro.«
»Und Sie wollen damit sagen, Sie führen die Geschäfte für die neuen Eigentümer?«
»Nein. Bedauere, wenn es ein Schock für Sie ist, aber
ich
bin der neue Eigentümer. Ich habe Ihrem Vater die Firma abgekauft. Er hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen.«
»Das glaube ich einfach nicht. Ich möchte die Papiere sehen.«
Leo wartete geduldig. »Sie werden verzeihen, Myles, aber die Verträge sind vertraulich. Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen Einsicht zu gewähren.«
»Was haben Sie dafür bezahlt?«
»Das sollten Sie vielleicht besser Ihren Vater fragen.«
»Verdammt, er ist aber nicht hier.«
»Es hat auch keine Eile. Er wird es Ihnen sicher sagen, wenn er zurückkommt.«
»Dafür werde ich schon sorgen«, höhnte Myles und schlug die Tür hinter sich zu. »Sie hören noch von mir.«
»Zweifellos«, sagte Leo gleichgültig und setzte sich an seinen Schreibtisch.
Myles stürmte wütend und verwirrt die Straße entlang, wohl wissend, dass er sich zum Narren gemacht hatte. Nein, William hatte ihn zum Narren gemacht. Wie konnte er es wagen, die Firma zu verkaufen, ohne ihm ein Wort davon zu sagen? Und warum? Dann dämmerte es ihm. Himmel Herrgott, war dies etwa der Beginn der Rache? Wollte William ihn finanziell kaltstellen? Er war schon fast beim Hotel, schlug dann aber den Weg zur Esplanade ein, um Harriet davon zu berichten. Sie musste erfahren, dass William hinter seiner ruhigen Fassade finstere Pläne schmiedete, seinen Besitz verkaufte und sie allein zurückließ. Was hatte der alte Bursche vor? Da kam ihm Lucy entgegengelaufen. Ihr wollte er im Augenblick nun wirklich nicht begegnen!
»Myles, bin ich froh, dass ich dich gefunden habe! Dein Vater ist in Schwierigkeiten …«
Sie war außer Atem, den Tränen nahe, und er musste sie beruhigen, bevor er die Geschichte aus ihr herausholen konnte.
»Komm mit, Dad wartet auf dich«, sagte sie schließlich.
»Meint er wirklich, mein Vater sei in Gefahr?«
»Natürlich. Es sind keine Schwarzen, die auf einer Station leben, sondern Wilde. So viel wissen wir jedenfalls. Und sie wollen den schwarzen Jungen zurückhaben. Und zwar schnellstens oder …«
»Oder was?«
»Sie sagen, sie würden ihn sonst töten.«
»Woher wisst ihr das alles?«
»Komm schon, Myles, Dad wird dir alles erklären.«
»Und ich sage euch, wir sollten zur Polizei gehen«, beharrte Maudie, gerade als Myles und Lucy eintrafen. Sie bedachte Myles mit einem missbilligenden Blick, wies ihm aber nicht die Tür. »Mit einem Suchtrupp dürfte die Polizei die Verbrecher schnell finden und
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