Tal der Träume
gehört zu den uralten Waray«, log Numinga genüsslich.
»Er sagt, ihr seid zu jung, um seinen Dialekt zu verstehen. Er gehört zum Volk der Schlucht, das aus der Traumzeit stammt, und wenn ihr ihm ein Leid zufügt, werden seine Ältesten euch in die Tiefe stürzen.«
Die Geschichte schien Garradji zwar nicht zu beeindrucken, doch danach wandte er sein Interesse dem weißen Mann zu.
»Frag ihn, wer er ist.«
»Sie wollen wissen, wer William ist«, übersetzte Numinga. »Sie sagen, er sieht aus wie ein Boss, ein wichtiger Mann.«
»Nein«, erwiderte Yorkey, »er ist bloß ein Viehhüter.«
»Dafür ist er aber gut gekleidet.«
»Ich weiß, er war gerade auf einer Hochzeit in Pine Creek.«
»Einer Hochzeit?« Numinga konnte mit dem Begriff nichts anfangen.
»Du weißt schon, heiraten, große Feier.«
»Ist er reich? Hat er Pferde?«
»Keine Sorge, schau nur in meine Tasche. Dort drinnen sind zwei Pfund.«
Numinga fiel etwas ein. »Warum bist du nicht mehr im Gefängnis? Du hast doch das Haus eines Weißen niedergebrannt. Darauf steht für gewöhnlich der Tod am Galgen.«
»Danke vielmals der Nachfrage. Du bist geflohen und hast mich im Stich gelassen, du Mistkerl.«
»War nicht meine Schuld.«
»Sicher, und das hier wohl auch nicht.«
»Wie bist du aus dem Gefängnis gekommen?«, fragte Numinga beharrlich.
»Der Bursche hier, William, hat mir bei der Flucht geholfen. Jetzt ziehen wir in den Busch. Kaum sucht man nach einem sicheren Ort, schon werden wir von euch angegriffen.«
Als Numinga gegangen war und sie allein in der nach Fledermäusen stinkenden Höhle hockten, ergriff William das Wort.
»Sei vorsichtig. Ich glaube, er möchte uns helfen, steht aber allein gegen einen Häuptling und einen Zauberer. Du solltest ihn nicht beleidigen. Da sie uns nicht getötet haben, können wir uns wohl als Geiseln betrachten.«
»Wieso?«
»Das musst du herausfinden. Rede nicht mehr mit Numinga, sondern verlange durch ihn, den Boss zu sprechen. Und hör genau zu, was sie sagen. Sie selbst sind keine Waray, außer Numinga gehören alle zur Horde vom Victoria River …«
»Um Himmels willen … meinen Sie wirklich?«
»Ich weiß es genau. Ich kenne die Horde besser als du. Sie sind sehr gefährlich, aber weit entfernt von ihrer Heimat, und dafür muss es einen Grund geben. Ich möchte, dass du dem Boss mit dem größtmöglichen Respekt begegnest, und ich werde das Gleiche tun. Keine Widerworte, verstanden?«
»Klar«, flüsterte Yorkey. Er hatte furchtbare Geschichten über die Wildheit der Clans gehört, die unter dem Weißennamen der Horde vom Victoria River zusammengefasst wurden. Sie lebten noch immer an seinen Ufern und weigerten sich, die Herrschaft der Weißen anzuerkennen. Er hatte jedoch nie damit gerechnet, ihnen zu begegnen, schon gar nicht als ihr Gefangener. Bis jetzt hatte es ihn nicht weiter gekümmert, von seinen eigenen Leuten gefangen zu werden, da er keine wirkliche Gefahr durch sie sah, doch nun schien man ihn dem Lager des Gegners zuzurechnen. Sie würden sich keinen Deut um ihn scheren, er war nicht mehr wert als die Pferde.
Er hatte Recht. Die Geiselnehmer genossen ein ausgiebiges Mahl aus den Vorräten des Weißen, Bohnen und Pfirsiche in Dosen, Cornedbeef, Brot, Melasse, Kartoffeln und Koteletts, dazu noch Tabak. Dann legte Mimimiadie den nächsten Schritt dar.
Es war ganz einfach: Numinga sollte nach Pine Creek zur Polizei gehen und dort verkünden, Schwarze hätten einen weißen Mann gefangen genommen. Falls Boomi nicht zu ihm zurückkehre, würden sie den Weißen töten und einen weiteren Gefangenen machen. Numinga sollte den Austausch organisieren. Danach würde Frieden herrschen.
»Was ist mit dem anderen Schwarzen?«, erkundigte sich Garradji. »Er hat keinen Nutzen für uns.«
»Das stimmt«, sagte Mimimiadie leichthin. »Du gehst morgen früh los, Numinga.«
»Sie werden mich sofort ins Gefängnis stecken, ich bin ein gesuchter Mann. Und dann? Ihr werdet ewig hier sitzen.« Da er seine Rolle bereits erahnt hatte, hielt Numinga einen anderen Plan bereit. »Ich schlage vor, wir schicken Yorkey.«
»Damit er Polizei und berittene Truppen holen kann«, höhnte Garradji.
»Und seinen Freund dem Tod überantworten? Das glaube ich nicht.«
Nach endlosem Hin und Her schickte man Numinga zu Yorkey, um ihm zu erklären, was von ihm verlangt wurde. Zu seiner Überraschung hob Yorkey die Hand und deutete auf Mimimiadie.
»Er ist der Boss. Ich spreche nur mit ihm.«
»Aber er
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