Tal der Träume
zwar, schüttelte jedoch den Kopf.
»Lieber sterben.«
»Was ist mit deinem Jungen Boomi? Im Frieden wäre er sicher.«
Garradji sprang ein. »Er sagt, vielleicht. Neue Zeit. Zuerst geht er heim zum Fluss. Dann sehen.«
»Wirst du mich töten?«, fragte William den Anführer unverblümt.
Dieser zuckte mit den Schultern. »Kein Boomi, kein weißer Boss.«
William musste wissen, was ihn erwartete, um Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er fürchtete sich nicht vor dem Sterben, nur vor der Art, in der es geschah. Der Tod im Busch kam meist plötzlich, durch Schlangenbisse, Reitunfälle, wilde Bullen oder Vieh, das einen niedertrampelte; man ertrank, verhungerte, fiel der Hitze zum Opfer. Er hatte in Darwin ein angenehmes Leben geführt, doch nun, da er in seine Heimat zurückgekehrt war, sah er dem Tod ins Auge. In dieser Situation gab es kein plötzliches Ende – das war ihm nicht vergönnt. Er glaubte keine Sekunde lang, dass die Behörden Mimimiadies Sohn ausliefern würden.
Mimimiadie kämpfte um seinen Sohn. Hoffentlich würde der Junge später einmal erkennen, wie sehr ihn dieser entschlossene Krieger, der so tief in der Vergangenheit verwurzelt war, geliebt hatte. Und William hoffte, dass sein eigener Sohn sich zwischenzeitlich um seine Befreiung bemühte, Himmel und Erde in Bewegung setzte, wie er es im umgekehrten Fall getan hätte.
William saß im Dunkeln da, am Hals gefesselt, während ihn gereizte Fledermäuse angriffen, mit verkrampften Gliedmaßen und wunder Haut, und versuchte, gnädiger über Harriet und Myles zu denken. Den übereilten Verkauf der Firma und des Hauses empfand er nun als trivial und unbedeutend, ebenso seine Flucht ins Outback. Hier sitze ich nun, dachte er, bar jeder Würde. Er zupfte sich Fledermauskot aus Gesicht und Haaren. Was galten hier schon seine verletzten Gefühle und ihr unwürdiges Benehmen? Nicht viel. Er wollte nicht sterben, ohne den beiden Menschen verziehen zu haben, die er so geliebt hatte und auf eine Art noch immer liebte.
Doch der Kummer war beharrlich. Er versuchte, inmitten der Ruinen seines Lebens an bessere Zeiten zu denken.
Gopiny musste sich bücken, um das Ende der Höhle zu erreichen. Er brachte dem Gefangenen frisches Wasser, schaute ihn finster an und ließ ihn wieder allein mit den Schatten.
Reverend Walters war überaus erleichtert, dass die Hamiltons Boomi während der Feiertage bei sich aufnehmen wollten, da sie die Situation verstanden. Er hatte schon befürchtet, er müsse Mrs. Branigan, die bereits zwei Kinder aufnahm, auch noch den Sprössling des berüchtigten Kriegers aufhalsen, doch nun bot sich ein anderer Weg.
Sibell und Zack kamen, um sich den Jungen anzusehen. Es war ein kräftiger kleiner Bursche mit sehr dunkler Haut und kurzem, krausem Haar. Er wirkte ziemlich schüchtern und wich vor ihnen zurück, doch als er hochsah, blitzte der Trotz in seinen Augen.
»Er ist ein Schatz«, sagte Sibell und streckte ihm die Hand entgegen, vergeblich.
»Lassen Sie sich nicht vom engelhaften Aussehen der Heidenkinder beeindrucken, Mrs. Hamilton. Er ist keineswegs ein Schatz, sondern beißt, kratzt und tritt. Er braucht eine feste Hand.«
»Dafür werden wir schon sorgen«, meinte Zack. »Wir haben Erfahrung mit diesen Kindern, das wird schon. Süßigkeiten und Karussellfahrten wirken Wunder. Eigentlich könnten wir ihn gleich mitnehmen, viel zu packen hat er wohl nicht.«
»Nein, er kann jetzt nicht gehen. Er wird heute Nachmittag getauft.« Der Reverend tätschelte dem widerspenstigen Kind den Kopf. »Morgen wird er einen neuen Namen tragen. Vor dir liegt ein neues, heiliges Leben, du wirst Elijah heißen …«
Keine Überredungskunst der Welt konnte Walters dazu bringen, das Kind herauszugeben, und Sibell erklärte sich bereit, am nächsten Tag wiederzukommen.
»Verstehst du denn nicht, dass die Zeit gegen uns arbeitet?«, fragte Zack, musste jedoch eingestehen, dass ihnen keine andere Wahl blieb.
»Wir haben noch Zeit«, sagte sie. »Morgen holen wir ihn ab und setzen ihn tags darauf in den Zug. Yorkey übernimmt ihn ab Pine Creek.«
»Und du hast kein schlechtes Gewissen dabei, Walters zu hintergehen?«
»Nicht unter diesen Umständen. Uns bleibt keine Wahl. Denk daran, dieses Kind wurde ebenfalls entführt.«
»Sie nennen es Rettung.«
»Ach was! Es gab ein Angebot, den Jungen auszuliefern, wenn sich sein Vater stellt. Wir bringen ihn einfach zurück. Hast du Zweifel an der Sache?«
»Nein, aber du hast doch die
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