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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ließ ein fast hysterisches Lachen hören. »Als Mediziner solltest du als erster wissen, ob jemand tot ist oder nicht.«
    »Du hast vorhin von den indischen Fakiren erzählt. Sie hatten keinen Herzschlag mehr, keinen Puls, keine Atmung und lebten dennoch. Wer sagt uns, daß Duka Hamana diese Ekstase nicht auch beherrscht?«
    »Das ist doch absurd!« Reißner blickte wieder auf den lang ausgestreckten Körper des Medizinmannes. »Warum sollte er uns so etwas vorspielen?«
    »Er hat das Duell verloren – das weiß er. Sein letzter großer Trick kann der Scheintod sein. Als Toten holen sie ihn ins Dorf, und dort kommt er dann aus dem Reich der Ahnen zurück. Das wird jeden Uma überzeugen, und dann sieht Pater Lucius sehr klein aus. Eine Rückkehr von den Toten kann er nicht zaubern.« Zynaker beugte sich erneut über Duka Hamana und legte das Ohr an seinen Mund. Kein Atem, nicht der geringste Hauch.
    Schmitz schüttelte den Kopf. »Er ist wirklich tot, Donald. Das siehst du auch an der Verfärbung der Haut. In einer Stunde wird die Bluttemperatur erloschen sein, und er wird kalt.«
    »Also, dann gehen wir zurück.« Reißner stülpte sich den Fliegerhelm über den Kopf und winkte Kreijsman zu. »Wir zwei, Fred, nehmen das Rad zwischen uns. Pater, bei den Uma wird die Kultur beginnen – jetzt kannst du ihnen zeigen, was man mit einem Rad alles machen kann. Ohne die Entdeckung des Rades hätte es keinen menschlichen Fortschritt gegeben, Feuer und Rad, das sind die Elemente der Zivilisation.«
    »Und Duka Hamana lassen wir hier liegen?« fragte Leonora.
    »Ja.« Zynaker streifte dem Toten den kostbaren Kopfschmuck aus Blumen, Blättern und Federn des Paradiesvogels ab und legte ihn auf das Gesicht. »Bei Sonnenaufgang werden die Uma ihn holen.«
    Sie gingen den schmalen, glitschigen Weg durch Felsen und Urwald zurück zum Dorf. Über den Hütten lag tiefes Schweigen. Selbst die Hunde gaben keinen Laut von sich. Sie schliefen unter den Bananenstauden oder bei den Hütten, eng an die Flechtwände gepreßt. Während die anderen ihre Schlafstätte im Männerhaus zwei aufsuchten, brachte Zynaker Leonora bis zu der auf hohen Pfählen erbauten Frauenhütte. An der Leiter blieben sie stehen und küßten sich.
    »Willst du wirklich da hinauf?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf und preßte ihn dann an seine Halsbeuge. Seine Nähe war ein wundervolles Gefühl, sein Kuß, seine Hände, die über ihren Rücken streichelten, über die Schulter hinauf zu ihren Haaren, wo sich seine Finger in den Locken verloren und sich nach vorne tasteten, bis sie über ihre Wangen glitten – es war eine Seligkeit, für die es keine Worte gab.
    Was ist aus mir geworden? dachte sie. Was hat er aus mir gemacht? Ich habe bisher nicht gewußt, daß es eine solche Liebe überhaupt gibt, daß sich die Welt verwandeln kann in solchen Stunden und klein, ganz klein wird und nur aus dir und mir besteht, aus dem Zusammenklang unserer Körper und Seelen.
    Mein Liebster, mit deinen Händen, deinen Lippen, deinem Körper hast du mich neu erschaffen. Erst jetzt lebe ich …
    »Wir können in deine Hütte gehen«, hörte sie ihn sagen.
    »Sie ist noch nicht fertig, mein Schatz.«
    »Aber sie hat ein Dach und vier Wände, und wir sind allein.«
    Sie nickte. Den Kopf an seine Schulter gelehnt, ihn mit dem linken Arm umfassend, ging sie mit ihm durch die Nacht zu ihrer halbfertigen Hütte. Sie küßten einander wieder, als sie in dem Raum standen.
    »Ich weiß nicht, wie es werden soll«, sagte er und strich mit der Zungenspitze über ihr Ohr. Das Zittern ihres Körpers war wie ein heftiges Frieren. Jede Pore, jeder Nerv war eine drängende Sehnsucht nach ihm. Ihr Leib preßte sich an den seinen, und sie spürte das Pulsieren in seinen Lenden, das Herbeiströmen des Blutes. »Ich weiß nur eins: Ich liebe dich unendlich. Es ist eine Liebe, die an Wahnsinn grenzt …«
    Sie liebten sich auf der harten, von Furchen durchzogenen Erde und spürten nicht die kleinen Steine unter ihren Körpern. Sie spürten nur sich, die Wärme ihrer Haut, das Spiel ihrer Muskeln, das Zucken und Heben und Senken ihrer Leiber, und sie hörten nur ihren Atem, ihr Seufzen und ihre gestammelten Worte.
    Später lagen sie nebeneinander auf der rauhen Erde, in der Finsternis erblickten sie einander nur schemenhaft, und ihr Atem war der einzige Laut in dieser vollkommenen nächtlichen Stille.
    »Eins weiß ich genau«, sagte er leise und legte seine Hand auf ihre Brust, »und ich sage es

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