Tal ohne Sonne
immer und immer wieder: Ich kann ohne dich nicht mehr sein. Ich werfe mein ganzes bisheriges Leben weg – du allein bist mein Leben. Ohne dich hat das Leben keinen Sinn mehr. Verstehst du das?«
»Ja.« Sie ergriff seine Hand und küßte ihre Innenfläche. »Mir geht es nicht anders. Der Gedanke, du könntest nicht mehr bei mir sein, tötet mich.«
Er drehte sich auf die Seite und schob sich über ihren Oberkörper. Sein Gesicht lag zwischen ihren warmen, duftenden Brüsten. »Ich werde immer bei dir bleiben«, sagte er. »Immer … Wo soll ich denn jetzt noch hin? Die Welt ist doch so leer ohne dich. Um mich herum wäre tödliche Einsamkeit ohne deine Liebe – ich kann nur noch leben durch dich …«
Im Morgengrauen ging Zynaker zu Dai Puinos großer Hütte und rüttelte ihn wach. Hinter einer dünnen Zwischenwand aus Palmblättergeflecht schliefen Sapa und Lakta.
»Wach auf!« zischte Zynaker dem Häuptling ins Ohr. Und dann sagte er in der Sprache der Uma, von der er ein paar Worte gelernt hatte: »Duka Hamana ist tot.«
Dai Puino zuckte hoch, sprang auf die Beine und stürzte aus der Hütte. Dabei riß er seinen Speer von der Wand. Draußen stellte er sich breitbeinig in die Dämmerung und stieß einen lauten, auf- und abschwellenden Schrei aus. Er alarmierte das ganze Dorf. Aus den Männerhäusern quollen die Krieger.
Sie kamen ohne Duka Hamana zurück.
Pater Lucius und Zynaker wuschen sich gerade an einem der Wassertröge, als Dai Puino an der Spitze des Trupps aus dem Urwald trat, gefolgt von wild gestikulierenden und schwatzenden Kriegern. Vom Männerhaus zwei lief ihnen Samuel entgegen, sprach ein paar Worte mit Dai Puino und rannte dann zu Pater Lucius und Zynaker. Schon zehn Schritte vor ihnen schrie er, die Arme in die Luft geworfen: »Duka Hamana ist weg! Er ist nicht mehr da! Die Geister haben ihn mitgenommen. Masta, die Ahnen haben ihn weggetragen.«
»Du hattest recht, Donald.« Pater Lucius trocknete seinen Oberkörper und das Gesicht mit einem Handtuch ab. Auch das wurde von den Uma bestaunt. Ihre Haut trockneten die Luft und die Hitze vom Himmel. »Das war Duka Hamanas letzter, starker Trick. Wenn er wieder auftaucht …«
»Das wird er.«
»… haben wir einen schweren Stand. Von den Toten ist noch keiner zurückgekommen. Duka Hamanas Macht wird von da an unzerstörbar sein.«
»Und er wird dein grausamer Gegner sein. Gottes Wort allein wird es nicht schaffen.«
»Ich vertraue auf die Fügung des Herrn.« Pater Lucius faltete die Hände über dem nackten Bauch. »Und auf mein Talent und meine Zauberkiste.«
Von Dai Puino erfuhren sie, daß der Platz vor der Höhle leer gewesen war und daß man die ganze Umgebung nach Spuren, nach Blut oder Fleischfetzen oder zerrissenen Federn und Ketten abgesucht hatte. Ein wildes Tier konnte den Toten ja weggeschleppt haben. Den Uma waren im Wald ab und zu große Katzen mit geflecktem Fell begegnet, starke Tiere mit schrecklichen Zähnen, die mit einem Zubiß einen Arm abtrennen konnten und schon drei Uma getötet, zerrissen und bis auf die Knochen abgenagt hatten. Getötet oder gefangen hatten sie noch keine der großen Katzen. Sie hatten sie zwar mit ihren Pfeilen getroffen, aber sie schienen unverwundbar zu sein, denn das Gift wirkte nicht bei ihnen, sie liefen weiter und verschwanden im undurchdringlichen Dickicht. Daß sie später irgendwo zusammenbrachen und an dem Gift verendeten, wußten die Uma nicht. Sie sahen die Tiere nie wieder.
Aber Duka Hamana war nicht von den Riesenkatzen geholt worden, es gab nicht die geringste Spur.
»Er war wirklich tot!« ließ Leonora Samuel übersetzen. »Er atmete nicht mehr, sein Herz schlug nicht mehr.«
»Dann haben die Ahnen ihn mitgenommen«, sagte Dai Puino feierlich. »Duka Hamana war wirklich ein heiliger Mann.«
Reißner nickte und stieß Pater Lucius in die Seite. »Es wird schwer sein, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, Pater. Selbst ich werde nachdenklich.«
»Ein Toter kann nicht wiederauferstehen.«
»Denk an Jesus, der einen toten Jüngling auferweckte.«
»Hier ist kein Jesus! Duka Hamana war nicht tot. Er beherrscht den alten Fakirtrick. Er hat sich in die Trance der Leblosigkeit versetzt. Und er wird wieder auftauchen.«
»Wir sollten uns doch mehr mit Waffenputzen aufhalten«, sagte Reißner sarkastisch. »Eine Ladehemmung können wir uns später nicht leisten.«
Nach dem Mittagessen, das wie immer die Frauen zum Männerhaus brachten und das sie bis auf die frischen Früchte
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