Tal ohne Sonne
seiner Stimme hörte man die Qual der endgültigen Erkenntnis.
»Ich befürchte es jetzt fast mit Sicherheit.«
»Das heißt: ein Strich durch alle Namen! Sie kommen nie wieder.«
»Es müßte schon eine neue Art von Wunder sein, Sir.«
»Glauben Sie an Wunder?«
»Nein, Sir.«
»Ich auch nicht. Kehren wir um und suchen wir morgen weiter!«
Die Staffel flog noch eine weite Schleife über einige tief eingesägte Täler und kehrte dann nach Kopago zurück. Captain Donnoly verschwieg Sir Anthony, welche Instruktionen er in Port Moresby bekommen hatte: Wenn Sie der Ansicht sind, daß alle Suche vergebens ist, brechen Sie spätestens nach drei Tagen die Aktion ab. Die Entscheidung treffen Sie allein nach Lage der Dinge.
Für Donnoly war schon jetzt sicher, daß man niemanden finden würde. Was er aus der Luft gesehen hatte, genügte ihm vollends, um zu sagen: Drei Tage sind zu viel, schon morgen ist zu viel. Die Zeit ist glatt vergeudet. Und wenn Sie ehrlich sind, Sir Anthony – Sie denken genauso. Sie wollen es bloß nicht aussprechen.
Der Abend war bedrückend. Es kam kein Gespräch auf, man schwieg sich an, sah im Fernsehen nur die Nachrichten an und trank zwei Flaschen australischen Rotwein.
»Der Wetterbericht für morgen ist gut«, sagte Wepper, der einen Sprung hinüber zur Funkstation gemacht hatte. »So wie heute.«
»So wie immer!« knurrte General Lambs. »Also für uns beschissen! Wieder ein Tag vorbei, ein Tag, der Schicksal sein kann. Warum haben wir dieses sinnlose Unternehmen nicht verhindert? Das wird eine Anklage sein, Wepper, die wir zeit unseres Lebens herumschleppen werden, Sie länger als ich. Ich bin ein alter Mann, und Sie sind erst achtundzwanzig.«
»Ich fühle mich nicht schuldig, Sir.«
»Warten Sie ab.« Sir Anthony hob warnend den Zeigefinger. »Je älter Sie werden, um so schwerer wird die Last. Ich kenne das. Ich habe meine Frau ja auch nicht davon abgehalten, den Sepik hinunterzufahren. Von Jahr zu Jahr wird die Selbstanklage stärker, und Sie können vor ihr nicht davonlaufen.«
Es war wirklich ein Myom. Fast kindskopfgroß, an den Rändern entzündet – daher das hohe Fieber und die Schmerzen –, ein aus wildem, wucherndem Gewebe bestehender Kloß, von dem man noch nicht genau weiß, warum er im Körper entsteht. Ein Myom ist eine gutartige Geschwulst, aber sie kann zur Gefahr werden, wenn sie, wie hier bei Sapa , entartet, sich entzündet und dann jauchig wird. Dann ist sie eine große Giftkapsel.
Leonora hatte den Unterbauch eröffnet, Schmitz hatte den Bauchdeckenhalter tadellos gesetzt und die Bauchdecke auseinandergespreizt, die Fritsch-Bauchdeckenhaken geschickt plaziert und so das Operationsfeld weit freigemacht. Mit Klemmen wurden die Blutungen gestoppt, das Blut mit Tupfern weggenommen, der Unterbauch gesäubert. Leonora hatte einen klaren Blick auf den Gewebekloß des Myoms. An einem kräftigen Stiel saß er oberhalb des Uterus, eine Seltenheit, denn meistens ist er mit der Gebärmutterwand oder der Gebärmutterhöhle verwachsen. »Wir haben Glück, Pepau«, sagte sie aufatmend. »Wir haben im richtigen Moment aufgemacht, das Myom ist im Anfangsstadium der Entartung. Wir klemmen den Stiel ab und heben es heraus.«
Sie warf einen Blick auf Samuel, der Sapas Beine hochhielt. Wenn ein Schwarzer grün werden kann, dann war Samuel jetzt grasgrün. Wie bei allen Dunkelhäutigen zeigte sich das in einer fahlen, fast grauen Hautfarbe. Lakta, die den Kopf der Mutter, der über den Tisch hinaushing, festhielt, starrte mit weiten, ja riesigen Augen auf den offenen Bauch und schien nicht zu begreifen, daß Sapa noch atmete. Alle die vielen aufgeschnittenen Menschen, die sie bisher gesehen hatte, waren tot und dann in Portionen für jede Familie zerteilt worden, aber hier klaffte der Bauch der Mutter auf, und sie lebte noch, atmete schwach, und ab und zu flirrte ein Zucken durch den ganzen Körper.
Leonora sah zu Samuel hinüber und zeigte auf das freigelegte Myom. »Sag Dai Puino, da ist der Feind! Und jetzt besiegen wir den Feind.«
Samuel würgte es hervor. Mit einem dumpfen Schrei stieß sich Dai Puino von der Wand ab, machte einen wilden Sprung zu dem Tisch, schwang seinen Speer und zielte mit der Widerhakenspitze auf Sapas offenen Leib. Im letzten Moment konnte Schmitz ihn packen und ins Zimmer zurückschleudern. Dai Puino spreizte die Beine, duckte sich und legte den Speer zum Zustoßen an. Es war der Moment, in dem auch Leonora dachte: Jetzt ist alles aus!
Ein
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