Tal ohne Sonne
mitten im Raum.
»Jetzt beginnt die große Feier«, sagte Samuel mit breitem Grinsen. »Der Feind aus dem Bauch wird getrocknet wie ein Schrumpfkopf.«
Während der Operation hatte sich der Dorfplatz verändert.
In einem großen Kreis hatten die Frauen die schönen bemalten Palmfasermatten auf den Boden gelegt. An langen Bambusstangen flatterten Girlanden mit bunten Vogelfedern, Vogelbälgen und gebleichten Knochen, und vor das Häuptlingshaus hatten zwei Söhne von Dai Puino einen dicken Baumstumpf geschleppt, rundum mit Schnitzereien verziert und kunstvoll bemalt mit Motiven, die wie Vögel und Schlangen und wie der Kopf eines Krokodils aussahen.
Der Thron der Lima. Der Thron, den Hano Sepikula erobern wollte.
Auch bei den ›weißen Göttern‹ vor dem Männerhaus zwei bereitete man sich auf das große Fest vor. Der Geruch gebratener Schweine und Hühner lag wie eine Wolke über dem Dorf und schien nicht abziehen zu können, denn über ihnen wölbte sich der Himmel wie eine riesige Glocke, weiß mit einem blauen Schimmer, eine Wolke aus dichtem Nebel, die noch keinen Sonnenstrahl durchließ, nur die brütende Hitze und das Tageslicht. Die Gipfel der hochragenden Berge waren verhüllt. Der Urwald verdampfte die Nachtfeuchtigkeit.
»Damit wir uns einig sind«, sagte Pater Lucius, »gehen wir noch einmal den Ablauf unseres Beitrags zum Fest durch.«
Sie saßen auf den herausgesuchten Kisten mit den Dingen, die sie jetzt brauchten, kauten an zähen Fladen von Sagobrot, das drei Frauen ihnen zusammen mit einer Schüssel voll gelbgrüner Paste gebracht hatten, die zwar nach zerquetschten frischen Früchten roch, die aber niemand anfaßte.
»Wer weiß, was da alles zusammengematscht ist«, sagte Reißner mit Ekel in der Stimme. »Die fressen ja alles, was geht und krabbelt. Will einer probieren?«
Es war eine so dumme Frage, daß keiner darauf antwortete. Pater Lucius wiederholte noch einmal das besprochene Programm. »Donald fängt mit seiner Trillerpfeife an«, sagte er und sah sich um. »Wo ist er eigentlich?«
»Er hält Wache bei seinem Schätzchen.« Reißners Stimme troff von Spott. »Seht ihr das denn nicht? Er umschwänzelt Leonora wie ein Hund. Und sie scheint's gern zu haben.«
»Halt's Maul!« brummte Kreijsman. »Das geht uns nichts an.«
»Und ob mich das was angeht! Zynaker spielt sich jetzt schon auf, als sei's seine Expedition.«
»Er hat von uns allen die größte Erfahrung.« Pater Lucius dachte daran, was er gesehen und gehört hatte, das vertraute Du, die vielsagenden Blicke, die gegenseitigen Berührungen, die wie zufällig aussahen, dieses stumme Zusammenklingen zweier Herzen und die Sehnsucht in den Augen. Zynaker ist ein toller Bursche, dachte er. Aber ob er der Mann sein kann, der Leonoras Leben bestimmt? »John Hannibal, Sie haben dauernd Krach mit Donald und legen alles gegen ihn aus. Warum eigentlich?«
»Ich mag ihn einfach nicht, das ist es! – Aber weiter! Zynaker trillert also mit seiner Pfeife, darauf stellen sich die Papuas in Marschformation auf.«
Auf diese spöttische Bemerkung hin schüttelte Pater Lucius nur den Kopf, als wolle er sagen: »Kindskopf!«
»Als zweiter kommt Fred mit dem Radio.«
»Hoffentlich haben sie dann gerade eine flotte Musik drauf!« lachte Kreijsman. »Oder einen Walzer. Stellt euch das vor: Walzer von Johann Strauß im unerforschten Urwald von Papua-Neuguinea.«
»Nach der Radiovorführung komme ich mit dem Kassettenrekorder«, sagte Pater Lucius. »Danach John Hannibal mit seiner Polaroidkamera.«
»Ich werde die schönsten Titten fotografieren. Werden die Burschen begeistert sein!«
»Sie fotografieren nur Köpfe, John Hannibal. Nur Porträts, wie abgesprochen.«
»Und dazwischen einen zackigen Arsch.«
Pater Lucius ging darauf nicht ein. Es hatte keinen Sinn, mit Reißner darüber zu diskutieren. »Dann kommt Schmitz mit dem Feuerzeug und zuletzt Leonora mit der großen Scherennummer.«
»Wie im Zirkus«, sagte Reißner genüßlich. »Nur umgekehrt. Wir führen keine wilden Tiere vor, sondern wir führen uns den wilden Tieren vor.«
»Es sind Menschen, John Hannibal.«
Reißner hob die Schultern, als wolle er sagen: »Daran muß ich mich erst gewöhnen«, und beugte sich zu seiner Fotokiste vor.
Pater Lucius blickte ungeduldig zum Dorfplatz hinüber, auf dem es von Frauen und Kindern wimmelte. Bei den Männerhäusern hockten die Krieger auf dem Boden und bemalten einander mit den Fingern, schmalen Hölzern oder pinselartig
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