Tal ohne Sonne
ersten Schnitt in Sapas Leib.
5
Am frühen Morgen landete die Hubschrauberstaffel auf dem Rollfeld von Kopago. Lieutenant Wepper erwartete sie vor dem Stationsgebäude. Wie jeden Morgen waren die Nebelschleier dicht und hingen wie bleiche Tücher über den Bergen.
Aus diesem wallenden Grau heraus stießen die Hubschrauber in die Tiefe und schwebten dann mit einem Höllenlärm auf den vorgezeichneten Landeplatz. Noch bevor die Rotorblätter völlig stillstanden, wurde die Tür des ersten Hubschraubers aufgestoßen, und ein Mann in Zivil tastete sich die ausgefahrene schmale Eisentreppe hinunter. Mit langen Schritten kam er auf Lieutenant Wepper zu.
Noch bevor sie einander begegneten, wußte Wepper, wer der weißhaarige Zivilist war. Er hat es sich trotz seines Alters nicht nehmen lassen, selbst zu kommen, dachte er. Es ist für ihn wie ein neuer Feldzug gegen die Papuas, die vor langen Jahren seine Frau getötet haben. Jeder hier kannte seine Geschichte, jeder wußte, wie damals die Strafexpedition zum Sepik-Fluß gezogen war mit dem Auftrag, diese ›Wilden‹ zu vernichten. »Ausrotten«, hatte er damals geschrien, »ausrotten, bis kein Pfeil, kein Nasenknochen mehr an sie erinnert!« Aber der kleine Feldzug gegen die Kopfjäger von Yerikai stieß ins Leere, die Sümpfe und Nebenflüsse des Sepik, der dichte Dschungel, diese Hölle aus verfaulender Natur und immer nachwachsender Üppigkeit, behielt sein Geheimnis. Die Dörfer, die man entdeckte, waren verlassen, nicht eine Spur mehr von Mensch oder Tier. Der General ließ die Dörfer in Flammen aufgehen, verwandelte den fruchtbaren Roden mit Flammenwerfern in verbranntes Land und ließ – sein Haß kannte keine Grenzen mehr – den Boden mit giftigen Chemikalien tränken. Und nun war er hier, nach so langen Jahren, um wieder einer Vernichtung beizuwohnen.
Der alte Mann erreichte Lieutenant Wepper und blieb ruckartig vor ihm stehen. Der Offizier grüßte zackig. »Willkommen, Sir!« sagte er knapp.
»Sie kennen mich?« Die Stimme des alten Mannes war hart, befehlsgewohnt.
»Wer kennt Sie nicht, Herr General.«
»Sie sind Lieutenant Wepper?«
»Jawohl, Herr General.«
»Der entscheidungsfeige Offizier.«
»Sir!«
Sir Anthony winkte energisch ab. Aus den Hubschraubern sprangen Soldaten und stellten sich auf. Ein Offizier war Sir Anthony nachgeeilt und kam gerade zurecht, die letzten Worte zu hören.
Wepper grüßte wieder. »Lieutenant Wepper, Kommandeur der Station Kopago.«
»Captain Donnoly . Haben Sie in der Zwischenzeit irgendwelche Nachrichten bekommen?«
»Nein, Captain. Die Funkstation war die ganze Nacht über besetzt. Zynaker oder Miss Patrik haben sich nicht gemeldet.«
»Das wird noch einen Paukenschlag geben, Wepper!« Sir Anthonys Stimme nahm einen Trompetenton an. »Was auch passiert sein mag, Sie sind mitschuldig.«
»Sir, ich werde mich gegen diese Anschuldigung wehren.«
»Wehren? Warum haben Sie sich nicht gegen Miss Patrik gewehrt? Ich habe Sie dreimal angerufen und Ihnen gesagt, was Sie tun sollen.«
»Sir, ich hatte meine Instruktionen vom Hauptquartier. Sie sprachen mit mir als Privatmann, der mir keine Befehle geben kann.«
»Im Hauptquartier wimmelt es von Idioten!« schrie Sir Anthony. »Das war früher so und ist heute nicht anders. Wer ins Hauptquartier kommt, hat sich ausgezeichnet durch Hirnlosigkeit! Diese Expedition war von vornherein ein Wahnsinn.«
»Mir steht da kein Urteil zu, Sir. Sie war genehmigt, daran hatte ich mich zu halten.«
»Sie typischer Befehlsempfänger – ja, das sind Sie! Wenn Ihnen beim Staatsbesuch der Königin befohlen wird, Ihre Majestät anzupinkeln, dann tun Sie es! Befehl ist Befehl!«
Wepper holte tief Atem, aber er zwang sich, keine Antwort zu geben. »Darf ich bitten, mir zur Station zu folgen? Die Einsatzkarten liegen bereit, und der Tee ist vorbereitet.«
»Haben Sie auch Whisky?« fragte Sir Anthony.
»Ja, Sir.«
»Der ist mir lieber. Ich brauche jetzt einen.«
Sie gingen über das Rollfeld zu den steinernen, flachen Gebäuden, die von einem schlanken Antennenmast überragt wurden. Zwei Papuas fegten den Vorhof. Von den Hubschraubern setzten sich die Soldaten in Bewegung. Sergeant Peck und neun Männer der Station erwarteten sie vor den Baracken. Aus der danebenliegenden Küche trugen Papuas große Teller mit Sandwichs in die Mannschaftsmesse.
Im Stabsgebäude der Station warf sich Sir Anthony in einen Korbsessel und streckte die Beine von sich. Die Offiziere nahmen ihre
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