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Talitha Running Horse

Talitha Running Horse

Titel: Talitha Running Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Presskuchen. Vielleicht hast du mit diesen Pellets Glück bei den Pferden.«
    Er zwinkerte mir zu und ich setzte die Kiste ab, um ihn zu umarmen. Mein Vater dachte immer an mich. Oft brachte er mir eine Kleinigkeit mit, irgendetwas, von dem er wusste, dass ich mich darüber freuen würde. Eine besonders schöne Feder oder einen kirschgroßen weißen Stein, in dessen hohlem Inneren winzige Körner rasselten, ein zerlesenes Exemplar des National Geographic Magazine, neue Stifte oder Papier zum Zeichnen.
    Und diesmal einen Karton mit Leckerbissen für Pferde.
    Ich drückte ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange. Mein Vater hob mich hoch, wie er es oft getan hatte, als ich noch kleiner war, und schleuderte mich einmal herum, dass meine langen Zöpfe flogen.
    Â»Du bist der beste Dad, den ich habe«, sagte ich.
    Er lachte. »Ich liebe dich auch, Braveheart.«
    Braveheart. Das war Dads Kosename für mich. Er hatte ihn mir gegeben, als ich vor fünf Jahren beim Spielen in Gift-Efeu gefallen war und keine Träne vergossen hatte, obwohl sich grässliche große Blasen an meinen Beinen bildeten, die nässten und fürchterlich brannten.
    Es war gar nicht so schwer gewesen, den Schmerz nicht über die Lippen kommen zu lassen. Ich hatte ihn zu einer kleinen Kugel zusammengepresst, um die sich mein Wille schloss wie eine Faust. Das hatte Dad mir beigebracht.
    Auf einmal hörten wir Flügelschlag über unseren Köpfen und blickten beide in den Himmel. Es war ein Vogel mit langen Beinen, langem Hals und einem spitzen Schnabel. Ein Kranich, der in Richtung Norden flog. Mit einem frohen Lächeln setzte mein Vater mich ab. Ich wusste, dass auch er in diesem Augenblick an Großvater Emmet dachte. Beide hörten wir die Worte des alten Mannes: Wenn du einen Kranich nordwärts fliegen siehst, dann weißt du, dass der Winter vorbei ist.
    Im Schulbus erzählte ich Adena von den Pellets. Sie machte ihr typisches skeptisches Gesicht. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Pferde Abfälle von irgendetwas mögen«, sagte sie.
    Â»Du wirst schon sehen«, erwiderte ich.
    Während des Unterrichts schweiften meine Gedanken andauernd zu Tom Thunderhawks Pferden. Durch die großen Fenster im Klassenzimmer sah ich die Wolken am Himmel fliegen, wie sie zerrissen und sich wieder vereinten. In meiner Phantasie wurden sie zu weißen Pferden mit fliegenden Mähnen. Die Stimme meiner Klassenlehrerin plätscherte dahin wie ein Bach. Ich träumte mit offenen Augen, bis Mrs Turnbull mich weckte.
    Â»Hältst du noch Winterschlaf, Tally?«, fragte sie spöttisch. Die Klasse lachte.
    Dass ich im Unterricht träumte, war nicht neu. Trotzdem hatte ich in den meisten Fächern gute Noten. Adena war natürlich besser. Sie war in fast allem besser als ich, auch wenn sie das nie herauskehrte.
    Adena wollte Lehrerin werden. Sie konnte ein Gedicht in kürzester Zeit auswendig lernen und ausdrucksvoll vortragen. Im Kopfrechnen war sie die Schnellste der ganzen Klasse. Auch im Sportunterricht war sie immer ein bisschen schneller als ich, sprang ein paar Zentimeter weiter oder höher. Sie hatte eine wunderschöne klare Stimme und auf dem Powwow war sie die bessere Tänzerin. Ihre Handarbeiten sahen immer korrekter aus als meine, und was sie anhatte, saß stets perfekt, während ich meistens so aussah, als ob ich verschlafen hätte und wie der Blitz in die Klamotten gesprungen wäre, die gerade herumlagen.
    Nur in einem konnte Adena mir nicht das Wasser reichen: Ich war eindeutig die bessere Zeichnerin. Wenn Adena versuchte ein Pferd zu zeichnen, konnte man es leicht mit einer Kuh verwechseln. Wenn ich Tiere zeichnete, wirkten sie so lebendig, als könnten sie jederzeit aus dem Papier springen, sagte Dad immer.
    Nach der Schule kam Adena gleich mit zu mir, um sich meine kostbaren Pferdeleckerbissen anzusehen. Mit spitzen Fingern nahm sie ein grünes Würmchen aus dem Karton. Sie roch daran und rümpfte die Nase. »Und das soll den Pferden schmecken? Na ich weiß nicht…«
    Sie unkte mal wieder. Adena unkte gern. Manchmal trieb sie mich damit fast zur Verzweiflung.
    Aber diesmal ließ ich mich durch ihren skeptischen Blick nicht beirren. »Wenn dieser Kräutermann sagt, dass Pferde dieses Zeug gern fressen, dann wird es auch so sein«, erwiderte ich zuversichtlich.
    Die Frühjahrsstürme begannen und es regnete viel, was gut war für

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