Talivan (German Edition)
anzubieten, sie hatte es gerne a n genommen. Schließlich war sie es gewesen, die seine Waren in klingende Münzen verwandelt hatte, s o dass sie sein Angebot nur als gerecht empfand.
Tatsächlich hatte ihr Gefühl sie nicht getrogen: Alle Me n schen in der Stadt schienen Egodow zu meiden, dehnten diese Ablehnung oder Vorsicht, was immer es sein mochte, jedoch auch auf Sinja aus, so dass sie, wen sie auch in ein Gespräch zu verwickeln versuchte, nie eine Antwort erhielt. Fast schien es, als umgebe sie in der a n sonsten so lebhaften Stadt ein Mantel aus Schweigen. Einzig ein paar Kinder hatten keine Angst vor ihr. Und sie erzählten Sinja, zwar verworren und sicher mit viel kin d licher Phantasie ausgeschmückt, von dem Fluch, der auf ihrem Weggefäh r ten lastete …
Dereinst, so erzählte man sich, würde eine Frau namens Cindra wiederkommen und Egodow töten, da er ihr sowie seiner Frau schreckliches Unheil angetan habe. Sein Eh e weib war an dem Tage, an dem man von dem Fluch erfuhr, auf u n erklärliche Weise verschwunden, obwohl sie die Stadt nicht hätte von den Wächtern auf der Mauer u n bemerkt ve r lassen können, so dass man munkelte, er habe die Gattin wohl g e tötet, da sie ihm in der Nacht zuvor ein totes Kind geboren habe, dessen Leichnam jedoch niemals off i ziell begraben wurde.
Zwar konnte Sinja die meisten Informationen so z u sammensetzen, dass sie zu Egodows eigener Geschichte passten, dennoch glaubte sie die G e rüchte nicht ganz. Vielleicht hatten die Kinder etwas verwechselt? Sie hielt ihren Reis e gefährten inzwischen für einen im Grunde zu anständigen Mann, als dass er seine eigene Frau getötet haben könnte, hätte er wirklich zwischen seinem und ihrem Leben wählen müssen. Und wer war diese Cindra, die offensichtlich eine wichtige Rolle spielte? Zumindest ve r stand sie nun die R e aktion des Mannes auf ihren Namen, besonders auf seine westliche Variante. Er musste wirklich gefürchtet haben, sie werde ihn töten. Und was hatte es mit Talivan auf sich? So gerne sie es gewusst hätte, sie wagte nicht, den Namen zu nennen, da sonst vielleicht noch ein Dritter Anspruch auf das Schwert erheben konnte. So blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als mit Egodow z u sammen ein karges A bendmahl einzunehmen und sich in ihrem Raum schlafen zu legen. Vielleicht würde er ihr doch noch sagen, welche Bedeutung dem Schwert zukam.
Sie erwachte schweißgebadet, ihren Traum noch deutlich vor Augen. Sie hatte Sorkan getötet; sie, die sie nicht die Spur der Gabe der Magie besaß, ja, alle Menschen in ihrer Umgebung gar an der Ausübung der Zauberei zu hindern schien, als sauge sie jede Form von Magie fast vollständig auf, hatte den mächtigsten Zauberer dieser Region getötet, obwohl er ihr kein Leid getan hatte. Sie zwang sich zu einem verkrampften Lächeln – der Traum konnte nichts bedeuten, er war zwar erschreckend real gewesen, aber so unmöglich, dass sie sich keine weiteren Gedanken darüber machen sollte. Und noch etwas anderes hatte sich geändert gegenüber den früheren Träumen: Diesmal wusste sie g e nau, dass sie sich während des Kampfes im gleichen Raum befunden hatte wie ihre Eltern, deren Gesichter sie zwar nicht hatte sehen können, deren Sorge um ihre einzige Tochter sie jedoch deutlich gespürt hatte – auch dies war unmöglich, hatten ihre Eltern sie doch ausgesetzt und damit dem Tode geweiht, dem sie nur durch einen glücklichen Zufall hatte entkommen können. Nein, warum sollten sie sich jetzt sorgen, zumal sie nicht einmal wissen konnten, dass Sinja noch am Leben war. Sie hätte ihnen in den Straßen von Jhalia begegnen können, ohne sie zu e r kennen, wie auch, da sie nicht einmal ein Andenken an sie b e saß.
Dennoch konnte sie, als sie mit Egodow beim Frühstück saß, nicht umhin, ihn nach Sorkan zu fragen, ob er den Zauberer beispielsweise in letzter Zeit gesehen habe. Der Mann ve r neinte: „Niemand sieht Sorkan einfach so auf der Straße. Er taucht auf, wenn er eine Arbeit verrichtet haben will oder jemand seine Künste anzweifelt, sorgt für Ruhe – ja, und offensichtlich scheint er auch manche Menschen vor großer Gefahr zu warnen.“
Es war offensichtlich, dass er nicht wieder auf den Fluch zu sprechen kommen wollte, dennoch ließ Sinja diesmal nicht locker.
„Stimmt es“, fragte sie leise, „dass du deine Frau … getötet hast?“
Er sah sie ungläubig an, bevor sich ein ironisches Lächeln auf sein Gesicht schlich. „Nein“, sagte
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