Talk Talk
für einen Augenblick mit den Gedanken woanders gewesen und konnte sich für den Bruchteil einer Sekunde nicht erinnern, wer der Typ war. »Die neue Diana Krall – hast du gewußt, daß sie Elvis Costello geheiratet hat? – ist ziemlich super.« Er wühlte in seiner Jacke, seine Hand bewegte sich wie ein Tier, das in einem Sack steckt, und dann zog er die CD hervor und reichte sie über den Tisch. »Vielleicht legst du sie mal auf. Sie ist ziemlich super, wirklich.«
Irgendwie hatte Pecks Stimmung sich verdüstert. Die Töpfe waren schmutzig, das Essen sackte durch ihre Gedärme, der Armagnac verdunstete – trank dieser Typ durch einen Strohhalm oder was? Und dann war da noch dieses Arschloch Bridger, der alles gefährdete, der erste kleine Riß in der Mauer: Die Kreditkarte, mit der er im Weingeschäft hatte bezahlen wollen, war ungültig, wie das Männlein hinter dem Tresen ihm versichert hatte. Natalia hatte ihm – halb scherzhaft, halb im Ernst – vorgeworfen, er brüte vor sich hin, und er hatte sich lahm verteidigt: »Ich brüte nicht vor mich hin, ich denke nach, das ist alles.« Er nahm Jonas’ CD und sah sie geistesabwesend an.
»Ich glaube, die wird dir gefallen«, sagte Jonas und beugte sich über den Tisch. Er war ein betrunkenes, mopsgesichtiges Weichei. Peck unterdrückte den Wunsch, ihm eine reinzuhauen. »Stimmt’s, Schatz?« sagte Jonas und wandte sich zu seiner Frau.
»Aber ja«, flötete Kaylee, »ja, ich glaube auch, die wird dir irgendwie gefallen.« Sie zuckte die Schultern. Es war ein langes Erschauern, das an den Seiten ihres Oberkörpers hinauf bis zu den Schultern und wieder hinunter lief. Auch sie war betrunken. Warum konnte sich eigentlich niemand hinsetzen und was Gutes essen, ohne sich zu beschickern? Sie lächelte ihn breit und feucht an. »Wie ich dich kenne, deine verletzliche Seite, meine ich...«
Natalia hatte die Schuhe abgestreift und saß mit angezogenen Beinen auf dem Sofa, zusammengekuschelt wie eine Katze. Das Armagnacglas stand in dem V ihres Schoßes. Ihr Blick ruhte auf Jonas. »Was ist das? Standards? Sagt man so? Standards? So ein lustiges Wort.«
Keiner antwortete ihr. Nach kurzem Schweigen sagte Peck, die CD noch in der Hand, er sei vor zehn, zwölf Jahren mal mit einem Mädchen im Five Spot gewesen, und die Band, die damals da gespielt habe – Sängerin, Flöte, Klavier, Schlagzeug, Baß –, sei wie jemand gewesen, der sich im Dunkeln auszieht, weil er sich für sein Aussehen schämt, und nachdem er das gesagt hatte, legte er die CD auf den Tisch und stand auf. »Mir ist gerade was eingefallen«, sagte er. »Entschuldigt mich kurz. Ich muß mal... Ich muß mal raus. Dauert nicht lange.«
Natalia sagte: »Aber Da-na, es ist nahezu ein Uhr. Wo? Wohin gehst du?«
Sie widersprach ihm vor ihren Gästen, und das ging ihm gegen den Strich. Am liebsten hätte er etwas Gemeines, Verletzendes erwidert, doch er hielt sich zurück. Er stand gewaltig unter Druck. Es war ein Fehler gewesen, das wußte er, und um es wieder hinzubiegen, sagte er etwas, was er besser nicht gesagt hätte: »Ich muß mal telefonieren.«
Prompt erhob sich ein Sympathie- und Proteststurm. Natalia beklagte sich mit weinerlicher Stimme, er habe ihr Handy kaputtgemacht, und fragte ihn, warum er nicht den Festnetzapparat nehme, und Jonas und Kaylee zückten ihre Handys, als wären es Revolver und dies der OK Corral. Was konnte er schon sagen? Nichts. Er winkte einfach ab und lief zur Tür, als fürchtete er, sie könnten ihn einholen, ihn am Ärmel festhalten, ihm ihre Handys aufdrängen, und als er draußen war, stand vor seinem geistigen Auge das Bild ihrer Gesichter, ihrer betrunkenen, verwirrten, ja sogar ein wenig indignierten Gesichter.
Der Nebel war dichter geworden und hüllte alles ein. Es war plötzlich kühl, die feuchten Finger des Nebels krochen unter sein Hemd, und er wünschte, er hätte ein Jackett angezogen, aber im Grunde war es egal. Er setzte sich in Natalias Wagen ( Natalias Wagen , ha – er war auf seinen Namen zugelassen, und er war derjenige, der ihn bezahlte), ließ ihn an und stellte die Temperaturvorwahl auf achtundzwanzig Grad ein. Es gab nicht mehr viele Münztelefone, sie waren Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit, aus Franks Zeit, aus Jockos Zeit, aus der Zeit seines toten Vaters, und in zehn Jahren würde es überhaupt keine mehr geben, darauf würde er wetten, aber in der Eingangshalle des Holiday Inn standen noch ein paar, und dorthin fuhr er nun.
An
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