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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der Bar ließ er sich einen Cognac und fünf Dollar in Münzen geben. Er hatte keine Ahnung, wieviel ein Gespräch nach San Roque kostete, und dieser Anruf war sowieso keine gute Idee – es gab einfachere Methoden, um zu bekommen, was man wollte –, aber er konnte einfach nicht widerstehen, nicht heute abend, nicht in dieser Gemütsverfassung, wenn er so sauer war, so losgelöst von allem, so unter Dampf. Die Hotelhalle war strahlend hell erleuchtet, als würden sich hier viele Menschen versammeln, dabei war sie um diese Uhrzeit praktisch leer. Er hörte das Fallen der Münzen im Apparat, die Stimme der Vermittlerin und schließlich das Tuten am anderen Ende.
    »Hallo?«
    »Bridger?«
    »Ja?«
    »Ich wollte nur überprüfen, ob Ihr Eintrag in unserem Verzeichnis korrekt ist – würden Sie bitte Ihren Namen buchstabieren?«
    »Hören Sie, wenn Sie mir irgendwas verkaufen wollen – ich will’s nicht haben. Das hier ist mein privates Handy, und ich will, daß Sie die Nummer aus Ihrem Verzeichnis löschen.«
    »Nein, nein, ich verkaufe nichts, jedenfalls nichts, was Sie haben wollen.« Peck hielt kurz inne, damit das Gespräch ins richtige Gleis fand. »Ich bin’s, Dana. Du weißt schon: der Rick-James-Fan.«
    Eine schwärende Stille trat ein. Der Schorf war abgezupft, der Verband von der Wunde gerissen. Sein Herz schlug höher, als er diese Stille hörte, als er hörte, wie das Arschloch am anderen Ende in der Luft hing, geschlagen in seinem eigenen Spiel. »Ja, äh, hallo.«
    »Selber hallo, Arschloch. Meinst du, du kannst dich mit mir anlegen?«
    » Du bist das Arschloch. Du bist der Verbrecher. Meinst du, du kannst meiner Freundin die Identität klauen, und nichts passiert? Ha? Wir kriegen dich, mein Freund, das verspreche ich dir.«
    Freundin? Eine kurze Berechnung. Dann war der Er also eine Sie, und der Fisch hatte angebissen. Halt das Gespräch in Gang, dachte er, laß ihn reden. »Das werden wir ja sehen.«
    »Du hast also meine Handynummer – na und? Dafür weiß ich, wo du wohnst. Ich weiß, von wo du jetzt anrufst.«
    »Ach ja?«
    »Ach ja. Du bist irgendwo im Vorwahlbereich 415, und du lebst in Marin.«
    Das ließ Peck kurz erstarren – bis ihm einfiel, daß das die Nummer des alten Handys, des toten Handys war. Und was machte das schon? Eine Menge Leute lebten in Marin County. Ja. Sicher. Aber wie viele Dana Halters? Er sah in Gedanken Natalias Gesicht, ihre Lippen, ihre dunklen, ewig enttäuschten Augen, er hörte sie fragen: Warum, warum, warum müssen wir umziehen? Und was soll das heißen: Dein Name ist gar nicht Dana. Was soll das heißen?
    Dann erklang die Stimme wieder, die Stimme eines Versagers, aber hart jetzt, mit der Selbstgerechtigkeit des frisch zugezogenen Jungen, der auf dem Spielplatz herausgefordert wird. »Stimmt’s?«
    »Ja«, hörte er sich sagen. Er sah auf, und sein Blick folgte einer Frau in einem engen blauen Kleid und hochhackigen Schuhen, die mit bedachtsamer Langsamkeit von der Bar zu den Aufzügen ging. »Und du lebst in San Roque.« Und obwohl er das ganze Ding am liebsten aus der Wand gerissen hätte, diesen schwarzen Kasten mit dem silbrigen Tastenfeld und den Drähten und Leitungen, die seine Stimme an diesen Ort und diesen Augenblick fesselten, legte er den Hörer ganz sanft auf, ging zur Tür und trat hinaus in den Nebel.

VIER
    Sie hatten gerade mit der Arbeit an dem nächsten Projekt begonnen, das Radko an Land gezogen hatte – ein Zeitreisefilm, in dem eine Gruppe von Wissenschaftlern aus dem 21. Jahrhundert, darunter eine junge Schönheit mit großem Busen, einer bezaubernden Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen und einem leuchtenden Pickel mitten auf der Nase (der Frame für Frame getilgt werden mußte), einen Tag vor dem Ausbruch des Vesuvs nach Pompeji kommen und in einer Sprache, die niemand versteht, verzweifelt versuchen, den Menschen die drohende Gefahr begreiflich zu machen –, als Bridger hinter sich jemanden spürte, sich umdrehte und Radko sah, der mit schmerzlichem Gesichtsausdruck auf dem abgenutzten Betonboden stand. Es war kurz nach zehn Uhr morgens, Bridger hatte bei Dana geschlafen und daher ein relativ nahrhaftes Frühstück gehabt (Cheerios mit einem Löffel Hefeextrakt und einer gewürfelten halben Nektarine, außerdem Toast und Kaffee), und als er gegangen war, hatte sie am Computer gesessen und die Schicksalsdimensionen des wilden Jungen ausgelotet. Bridger war entspannt und freundlich: Das neue Projekt – das zweifellos bald

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