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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ebenso langweilig, nervtötend und stumpfsinnig sein würde wie das vorige – reizte ihn, einfach, weil es neu war, weil die computergenerierten Tempel und sonnenverbrannten Häuser von Pompeji das genaue Gegenteil der rötlichbraunen Düsternis von Drex III waren. Bridger hatte sich auf Sibyl Nachmanns Gesicht konzentriert, auf Autopilot geschaltet und den Makel gewissenhaft entfernt – eine Prozedur, die Deet-Deet bereits »Pickelektomie« getauft hatte –, als er merkte, daß Radko hinter ihm stand.
    »Sie ist draußen«, sagte Radko mit sonorer Stimme.
    Bridger sah auf den Bildschirm und war sich nicht sicher, was sein Boß meinte: War sie jenseits aller Bewertungskategorien oder bekam sie keine Rollen mehr? »Ja«, sagte er und nickte, denn es war nie verkehrt, dem Boß recht zu geben, »ja, stimmt.«
    Radko wedelte energisch mit beiden Händen, wie ein Schiedsrichter, der einen Protest abwehrt. »Nein, nein«, sagte er. » Dana , sie ist draußen.«
    Bridger brauchte einen Augenblick, um das zu verarbeiten: Dana war im Büro, hinter der einförmigen Reihe von Arbeitsnischen und der hängeschultrigen, schmerbäuchigen Gestalt von Radko, der mit ernstem, bedrücktem Gesicht auf die Tür zeigte. Bridger schob den Stuhl zurück und stand auf. Wenn Dana hier war, steckte sie in Schwierigkeiten. Irgend etwas war schiefgegangen. Das erste, woran er dachte, war der Mann auf den Fotos, die Stimme am Telefon, der Dieb. »Wo?« fragte er, nur um etwas zu sagen.
    Er fand sie im Vorzimmer, zusammengesunken auf einem der billigen Plastikstühle an der gegenüberliegenden Wand. Sie trug das T-Shirt und die Jeans, die sie angehabt hatte, als er gegangen war, aber sie hatte sich weder gekämmt noch Make-up aufgelegt, und in ihrer rechten Hand hielt sie Papiere, Briefe. Oder war es ihr Manuskript? War das der Grund? Er ging zu ihr, doch sie hob nicht den Kopf, sondern saß da, die Unterschenkel von den geschlossenen Knien abgewinkelt, und tappte mit einem Fuß rhythmisch gegen das verchromte Stuhlbein. »Dana«, sagte er und legte den Finger unter ihr Kinn, so daß sie den Blick hob, »was ist los? Was ist passiert?«
    Hinter ihm war ein Geräusch: Radko stand an der Tür und winkte Courtney, der Sekretärin, einer neunzehnjährigen Blondine, die sich vor zwei Wochen, aus Sympathie für den vorherrschenden Stil, ihr Haar rabenschwarz gefärbt und auch aus ihrer Garderobe alle anderen Farben verbannt hatte. Sie warf Bridger einen tragischen Blick zu und murmelte: »Ich gehe mal eben wohin.« Dann schloß sich die Tür, und sie waren allein.
    Dana stand nicht auf. Sie sagte nichts. Nach ein paar Sekunden nahm sie Bridgers Handgelenk und gab ihm einen an sie adressierten Brief von der Gehörlosenschule in San Roque. Sobald er den Brief sah, wußte er, was darin stand, doch er zog das Blatt trotzdem aus dem Umschlag und faltete es auseinander. Dana verfolgte jede seiner Bewegungen. Der Brief war von Dr. Koch unterschrieben. Nach intensiven Beratungen mit dem Schulträger müsse er ihr zu seinem Bedauern mitteilen, daß ihre Stelle mit dem Beginn des nächsten Schuljahres gestrichen sei. Diese Entscheidung bedeute nicht, daß man in irgendeiner Weise mit ihren Leistungen unzufrieden sei, sondern sei einzig und allein aus wirtschaftlichen Erwägungen gefallen. Er schloß mit der Bemerkung, er werde ihr gern Empfehlungsschreiben ausstellen und wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Lebensweg.
    »Du weißt, daß das nichts als Mist ist«, sagte sie, und ihre Stimme hallte in dem leeren Raum wider. »Sie schmeißen mich raus. Koch schmeißt mich raus. Und weißt du auch, warum?«
    »Vielleicht auch nicht. Er schreibt, daß sie die Stelle streichen mußten. Da steht’s...«
    Ihre Augen wurden schmaler, ihre Wangenmuskeln spannten sich. »Quatsch. Ich hab Nancy Potter – du weißt schon, die Sozialkundelehrerin – eine E-Mail geschrieben, und sie hat geantwortet, daß meine Stelle schon inseriert ist. Ist das zu fassen? Diese Frechheit? Und diese Lügen«, rief sie und riß ihm den Brief aus der Hand. »Nichts als Lügen.«
    Jenseits der Fenster, zwei horizontalen Schlitzen in der Wand, die den Angestellten im Allerheiligsten bestätigten, daß es dort draußen, allem gegenteiligen Anschein zum Trotz, tatsächlich eine andere Welt gab, stand eine Frau, die an einem Leinengewirr sechs Hunde verschiedenster Größe ausführte, unter dem narbenübersäten Feigenbaum, der den Block überragte. Ein Junge mit einem zu großen Helm

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