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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vorerst nicht zu rechnen.
    Aber Gina war ein Fels in der Brandung. Sie schmiß ihre Schürze hin, leerte die Trinkgeldkasse und stolzierte hinaus, und innerhalb einer Woche hatte sie einen Laden in der Water Street gefunden. Sie pumpte ihren Vater an, und Pizza Napoli war geboren. Das Ding war von Anfang an ein Erfolg – man hätte meinen können, daß sie die Pizzas verschenkten –, und das Geheimnis dieses Erfolgs war Skip Siciliano, der Pizzabäcker mit dem Schnauzbart und der hohen weißen Mütze, den er vom Fiorentino hatte abwerben können, weil Skip ebenfalls fand, daß Frank ein Arschloch war. Das und die Lage. Die Leute wollten auf den breit dahinfließenden Hudson blicken, sie wollten an hübschen Tischen sitzen, wo der Boden mit Sägespänen bestreut war und Salami und Knoblauchzöpfe von der Decke hingen, sie wollten Pizza frisch aus dem Ofen essen und Antipasti und Calzone und hausgemachte Nudeln, und sie wollten ein nicht zu teures Angebot an italienischen Weinen und daß es alles auch zum Mitnehmen gab. Am Ende des ersten Jahres wurden Gina und er ehrgeizig und eröffneten ein zweites Restaurant. Es hieß Lugano – den Namen hatten sie gefunden, indem sie mit geschlossenen Augen eine Münze auf eine Landkarte von Italien hatten fallen lassen. Das Lugano sollte was für den gehobenen Geschmack sein: große Speisekarte mit Osso buco, Fisch und Muscheln, jeden Abend Spezialitäten des Küchenchefs, auf jedem Tisch Kristallschalen mit Gemüsestreifen und Dip, außerdem Crostini, die mit der Speisekarte gebracht wurden.
    Dann wurde Gina schwanger und erzählte es ihrem Vater, und ihr Vater – ein Großmaul und Sturkopf sondergleichen, der Peck nie besonders gemocht hatte, weil der kein Italiener war, und selbst wenn er einer gewesen wäre, hätte das auch nichts geändert, denn für sein Mädchen war niemand gut genug, nicht der Rechtsaußen der New York Yankees und auch nicht Giulianis Lieblingsneffe –, ihr Vater also bestand darauf, daß sie innerhalb eines Monats heirateten. Für Peck stank die Sache von Anfang an. Sie wollten kein Kind, sie wollten nicht so jung schon angebunden sein, und er nahm es Gina übel, daß sie es überhaupt hatte passieren lassen. Aber er machte mit, unter anderem, weil ihr Vater der Haupteigentümer von Pizza Napoli und Lugano war, aber auch, weil er sie liebte, wirklich liebte. Damals jedenfalls. Sie heirateten in der katholischen Kirche, danach gab’s einen großen Empfang im Country Club in Croton, bei dem an nichts gespart wurde. Seine Mutter saß, betrunken wie immer, in der ersten Reihe, ein Freund aus der High School – Josh Friedman, den er sechs Jahre nicht gesehen hatte –, war sein Trauzeuge, und das war’s dann.
    Die Sache war die: Es hätte klappen können – ein langsames Hineinwachsen in die Reife und das volle Potential der Beziehung, ein Kind, ein Hund, ein Haus auf dem Land –, wenn Gina nicht gewesen wäre. Kaum war sie schwanger, da hörte sie auf, mit ihm zu schlafen. Einfach so. Immer war ihr übel, immer beklagte sie sich über irgendwelche eingebildeten Schmerzen, sie wurde schlampig und ließ sich gehen. Sie wusch sich nie das Haar. Sie hob nie irgendwas auf. Und der Sex... Hatte er das schon erwähnt? Der Sex war ungefähr so häufig – und befriedigend – wie dieser Komet, der alle vierhundert Jahre kommt, und dann geht man raus in den Garten und starrt auf einen armseligen, blassen, jämmerlichen, kaum erkennbaren Rotzstreifen am Himmel. Toll. Echt supertoll.
    Konnte ihm irgend jemand, und seien es der Papst und sein Kardinalskollegium, vorwerfen, daß er immer länger im Restaurant blieb? Sogar jetzt, nach dem Knast und dem Haß, nach dem Untertauchen und dem ganzen Rest, bereute er nichts. Manchmal brauchte er nur die Augen zu schließen und sah vor sich das Schummerlicht der Bar um zwei Uhr morgens, die Tür war abgeschlossen, und in den gelblichen Glaskugeln brannten zwei oder drei Kerzen, so daß es war, als wäre alles mit einer dünnen Patina aus Altgold überzogen, und Caroline oder Melanie oder eine der anderen Kellnerinnen saß, langsam rauchend und einen Remy in der Hand, neben ihm, und seine Hand lag auf ihrem Oberschenkel oder einer ihrer Brüste, als nähme er Maß für ein Kostüm. So beiläufig. So langsam, so sicher: Er hatte sie in der Nacht zuvor flachgelegt, und er würde sie auch heute nacht flachlegen. Sobald er sich dazu aufraffen konnte.
    »Wie ist es mit Jazz? Stehst du auf Jazz?« sagte Jonas, und Peck war

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