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Talk Talk

Talk Talk

Titel: Talk Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Aber der Boß (der darauf bestand, mit »Rad« angeredet zu werden und nicht mit »Radko«, »Mr. Goric« oder »Königliche Hoheit«) hatte ihnen im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben nicht einen Millimeter Spielraum gelassen. Die Premiere sollte in weniger als einem Monat sein, und Bridger und seine fünf Kollegen arbeiteten zwölf Stunden täglich, sieben Tage die Woche.
    Lange starrte er bloß auf den Bildschirm, das Kinn auf zwei bleiche Fäuste gestützt, deren Knochen sich für den Augenblick aufgelöst zu haben schienen. Die Welt war da, direkt vor ihm, viel unmittelbarer und wirklicher als sein Arbeitsplatz, diese Wände, diese Decke, dieser lackierte Betonboden, und er trat in sie ein, ließ sich treiben, träumte, schlief mit offenen Augen. Er war erledigt. Fix und fertig. Seine Finger waren steif, sein Hintern tat weh. Seit drei Tagen hatte er die Socken nicht gewechselt. Und jetzt zogen Streßkopfschmerzen auf wie die kackbraunen Wolken über Drex III , dem Planeten, den er mit Hilfe seiner Discreet-Software und der abgegriffenen Maus bearbeitet, schattiert und mit dem letzten Schliff versehen hatte. Kaffee half nicht mehr. Banjo war an der Reihe gewesen, in der Kaffeepause zu Starbucks zu gehen, und Bridger hatte sich einen Venti mit einem Schuß Espresso bestellt. Da stand der Becher, halb ausgetrunken, und trotzdem fühlte er sich bloß flau. Und schläfrig, müde, narkoleptisch. Wenn er doch nur den Kopf hinlegen könnte, bloß für eine Minute...
    Aber er hatte eine Nachricht. Von Deet-Deet. Das Icon erschien in einer Ecke des Bildschirms, und als er es anklickte, war da das Bild eines Piraten mit Holzbein, der ein Entermesser schwenkte und mit dem überproportional großen Kopf von Radko versehen war. Der Text lautete: Har, har, har, ihr Drückeberger! Kein Nickerchen am Arbeitsplatz – wenn das Projekt am 30. nicht durch ist, geht ihr allesamt über die Planke!
    So bewahrten sie sich davor, durchzudrehen. Es war mühselige Kleinarbeit, Paint-and-roto für fünfundzwanzig Dollar zweiundsiebzig die Stunde, brutto, und obwohl es Augenblicke künstlerischer Befriedigung gab – zum Beispiel wenn man die Drähte an den kleinen Gestalten wegretuschierte, die von irgendeiner außerirdischen Explosion in den schorfigen Himmel geschleudert wurden –, war es im Grunde ein Knochenjob. Bei dem neuen Kopf, an dem Bridger gestern den ganzen Tag und die Nacht hindurch bis zu diesem müdigkeitsgetränkten Morgen gearbeitet hatte, mußte er das dreidimensional fotografierte Gesicht des Actionhelden Kade (oder vielmehr The Kade , wie es jetzt auf den Vorankündigungen stand) über den weißen Helm eines Stuntmans legen, der auf einem futuristischen, von Klingen starrenden Chopper über die am Rand einer Klippe aufgebaute Rampe raste und in hohem Bogen über einen der Feuerseen und mitten ins Lager der Feinde sprang, wo er einen unbeholfenen Echsenkrieger nach dem anderen zerhackte, aufschlitzte und ins Gesicht trat. Es war nicht ganz der Ort, wo Bridger sechs Jahre nach seinem Abschluß an der Filmhochschule hatte sein wollen – er hatte mehr an eine Karriere wie die von Fincher oder Spielberg gedacht –, aber es ernährte seinen Mann. Und zwar recht gut. Außerdem arbeitete er in der Filmindustrie.
    Jetzt legte er Kades Kopf über den von Radko – er ließ ihn zwinkern, grinsen, eine Grimasse schneiden (das Gesicht, das Kade machte, als das Motorrad mit einem kreuzbeinstauchenden Rums mitten unter den der Echsenkriegern aufsetzte) und schließlich noch einmal zwinkern – und tippte seine Antwort: Versenk das Schiff und bring mir Kaffee. Mein Königreich für einen Becher Kaffee, noch einen, bitte. Er setzte ein PS hinzu, sein Lieblingszitat aus Miss Lonelyhearts , das er zum Einsatz brachte, wann immer es zu passen schien: Wie ein Toter konnte er nur durch Reibung erwärmt und nur durch Kraftanstrengung bewegt werden.
    Dann meldete sich, aus der räumlichen Distanz bis zur übernächsten Nische und den weglosen Weiten des Cyberspace, Plum zu Wort, und dann gaben Lumpen, Pixel und Banjo ihren Senf dazu, und alle waren wieder wach, und der neue Tag, der nicht anders war als der gestrige oder vorgestrige, nahm seinen Lauf.
    Er retuschierte die überstehenden weißen Flächen rings um Kades Kopf und begann gerade, sich Gedanken über das Frühstück (Bagel mit Frischkäse) oder vielleicht das Mittagessen (Bagel mit Frischkäse, Lachs, Sprossen und Senf) zu machen, als sein Handy vibrierte. Radko wollte

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