Tallinn-Verschwörung
die Tür. Draußen stand der Portier und reichte ihm eine Schachtel, als deren Absender Torsten seine Dienststelle erkannte. Das Päckchen war in Berlin aufgegeben worden und nicht besonders schwer.
»Danke schön! Das ist für Sie!« Torsten angelte einen Fünfeuroschein aus der Tasche und steckte ihm den Portier zu.
Der Mann zog hocherfreut ab, während Torsten sich von Graziella ein Messer reichen ließ und vorsichtig begann, das Klebeband durchzuschneiden, mit dem das Päckchen verpackt war. Als er es öffnete, kam als Erstes eine Computerzeitung zum Vorschein. Er wollte sie bereits beiseitelegen, sagte sich dann aber, dass diese wohl kaum aus Zufall in die Sendung geraten war, und blätterte sie rasch durch.
»Was ist los?« Graziella war ganz hibbelig, und man konnte ihr ansehen, dass sie das Päckchen am liebsten an sich gerissen hätte.
Plötzlich stieß Torsten einen leisen Pfiff aus. »Das ist typisch Petra. Schau her! In der Zeitschrift ist ein Artikel von ihr. Damit will sie uns sicherlich sagen, dass nicht Wagner, sondern sie dafür gesorgt hat, dass dieses Päckchen zu uns gekommen ist. Da muss sie einige Rechner geknackt und Daten manipuliert haben. Niemand anderes als sie könnte das schaffen.« Lachend reichte er Graziella die Zeitschrift und packte die Sendung weiter aus.
Ein in amtliches Papier geschlagenes, dünnes Päckchen
forderte als Nächstes seine Aufmerksamkeit. Torsten riss die Umhüllung auf und starrte mit großen Augen auf zwei weinrote Hefte mit dem Bundeswappen. Es handelte sich um Reisepässe, einer davon auf seinen Namen ausgestellt, der andere zeigte zwar Graziellas Bild, trug aber den Namen von Andrea Kirschbaum, deren Tod schon mehrere Wochen zurücklag.
Torsten starrte auf den Pass und spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Resolut wischte er sie ab und reichte den Ausweis an Graziella weiter. »Wenn wir jetzt noch Geld hätten, könnten wir Wagner eine lange Nase drehen.«
»Hier ist noch mehr in dem Päckchen.« Graziella griff in den Karton und brachte als Nächstes einen funkelnagelneuen Dienstausweis für Torsten hervor. Darunter lag ein Kuvert eines Berliner Reisebüros. Es enthielt zwei Flugkarten nach München.
»Das war es«, kommentierte Torsten etwas enttäuscht, weil Petra kein Geld mitgeschickt hatte. Jetzt würde er sich mit Graziella nach München in die Höhle des Löwen wagen müssen.
Diese wies auf die Flugkarten und schüttelte den Kopf. »Das ist eigenartig – das Flugzeug macht eine Zwischenlandung in Wien. Ob das etwas zu bedeuten hat?« Graziella wies auf den entsprechenden Ausdruck hin. Noch während Torsten überlegte, was diese Tatsache bedeuten mochte, klopfte es erneut.
Draußen stand wieder der Portier und blickte Torsten mit einem schuldbewussten Grinsen an. »Entschuldigen Sie, ich hatte vorhin vergessen, dass Sie ja den Empfang der Sendung quittieren müssen. Und von Frau Meindl soll ich Ihnen ausrichten, dass eintausend Euro für Sie angewiesen worden sind. Sie können sie sich von ihr auszahlen lassen.«
Torsten reckte die Hände gegen die Decke und rief: »Halleluja!
« Dann nahm er lachend den Stift, den ihm der Portier hinhielt, und setzte seinen Namen auf den Empfangsschein.
»Einen schönen Gruß an Frau Meindl. Ich komme gleich vorbei, um das Geld abzuholen«, sagte er noch und sah zu, wie der Mann verschwand. Dann drehte er sich lachend zu Graziella um.
»Ich weiß nicht, wie Petra das geschafft hat. Außer ihr hätte das niemand für mich getan. Wenn das aufkäme, würde ihr das mindestens fünf Jahre Gefängnis, wenn nicht sogar zehn einbringen. Jetzt sind wir es ihr schuldig, dass wir Erfolg haben.«
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Graziella.
»Als Erstes verlassen wir dieses Einsternehotel und machen uns auf den Weg zum Flughafen. Was dann kommt, werden wir sehen!« Torsten war so glücklich, dass er Graziella an sich zog und sie küsste.
Er ließ sie aber sofort wieder los und sah sie verlegen an. »Tut mir leid, aber das musste sein!«
»Solange es nicht mehr ist«, antwortete sie achselzuckend und zupfte ihre Bluse zurecht. »Wie war das übrigens mit dem Essen in einem passenden Restaurant? Ich könnte außerdem auch noch etwas zum Anziehen brauchen.«
»Frauen!«, stöhnte Torsten, der Albanien in Gedanken bereits verlassen hatte.
DREI
P etra Waitls Vorbereitungen gaben Torsten die Möglichkeit, seine und Graziellas Spuren wenigstens teilweise zu verwischen. Nach ihrer Ankunft in Wien fuhren
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