Tallinn-Verschwörung
bei dieser Auseinandersetzung mit dem MAD-Leutnant den Kürzeren ziehen würde, kehrte er ihm den Rücken zu und machte sich wieder auf Spurensuche.
Torsten sah Trieblinger ein paar Sekunden lang hinterher und stieg dann aus seinem Wagen. Dem Polizeibeamten, der ihn daran hindern wollte, durch die Absperrung zu treten, hielt er seinen Dienstausweis unter die Nase. Der Mann erbleichte und hatte daran zu kauen, dass sich nun auch der MAD mit einschaltete.
Während Torsten scheinbar entspannt über das Gelände schlenderte, konnte er an den Gesichtern der ermittelnden Beamten ablesen, was sie dachten. Sie waren frustriert, weil sie keine Anhaltspunkte fanden, die einen Rückschluss auf die Täter zuließen, und ärgerten sich, weil man ihnen das zweite Minarett praktisch unter den Augen weggesprengt hatte. In den Zeitungen vom Tage war die Polizei deswegen bereits harsch kritisiert und in die Sympathieecke mit Ausländerfeinden gedrängt worden.
Auch wenn er mit Trieblinger aneinandergeraten war, so wollte Torsten doch gerecht sein. Die Ausrüstung der Polizei entsprach nie dem neuesten Stand. Eine kleine, übersichtliche Terrorgruppe konnte sich auf dem freien Markt weitaus
besser ausstatten, denn sie musste sich nicht mit den bornierten Beamten der Beschaffungsämter herumschlagen, die jede Ausgabe nur nach hartem Kampf genehmigten, als müssten sie die Kosten dafür aus eigener Tasche bezahlen.
»Weiß man schon, welcher Sprengstoff verwendet wurde? «, fragte er einen jüngeren Beamten, der mit einem Spatel verkohlte Reste von einem geborstenen Mauerstück abkratzte.
»Entweder Semtex oder ein ähnlicher Stoff wie RDX. Auf alle Fälle einen von der harten Sorte. Wahrscheinlich dasselbe Zeug, das die Al-Kaida-Terroristen bei ihrem Anschlag in Holland verwendet haben.«
Torstens Gesicht verhärtete sich. Der Terrorakt in den Niederlanden hätte Zehntausenden zum Verhängnis werden können, wären die dortigen Behörden nicht blitzschnell und hart vorgegangen und hätten die Bresche, die die Explosion in den Abschlussdeich des Ijsselmeers gerissen hatte, mit drei riesigen, auf Grund gesetzten Containerfrachtern verstopft. Die Tat hatte allen deutlich vor Augen geführt, wie verwundbar Europa gegen einen entschlossenen Feind war.
Es gab etliche Leute, die sich bereits mitten im Kampf der Kulturen wähnten. Torsten konnte hören, wie sich mehrere Gruppierungen unter den Zuschauern gegenseitig beschimpften. Einige Demonstranten versuchten gerade einen stadtbekannten muslimischen Prediger, der mit lauter Stimme die Christen anklagte und zur Rache für dieses Verbrechen aufrief, mit Trillerpfeifen zum Schweigen zu bringen.
Torsten hatte während seines Aufenthalts in Afghanistan einige Brocken der dort am häufigsten gebrauchten Sprachen gelernt, aber auch sein Arabisch verbessert und konnte daher ungefähr nachvollziehen, was der Prediger brüllte. Es war dem Frieden im Land ebenso zuträglich wie der letzte Aufmarsch der Neonazis vor der damals noch im Rohbau
befindlichen Moschee. Zu jenem Zeitpunkt hatte die Polizei eine Eskalation gewaltsam verhindern müssen, und es hatte etliche Verletzte in den Reihen der Beamten gegeben.
Auch an diesem Tag schien eine Straßenschlacht in der Luft zu liegen. Die Stimmung der versammelten Muslime war gereizt, während viele Deutsche ihrer Schadenfreude über die Zerstörung der Moschee höhnisch Ausdruck gaben. Die Demonstranten aber, die den Frieden zwischen den Religionen und die Völkerverständigung vertraten, waren in der Minderzahl.
Torsten beschloss, sich nicht länger von Äußerlichkeiten ablenken zu lassen, sondern konzentrierte sich auf die Trümmer. In Afghanistan hatte er mehr als einmal nach Anschlägen zerstörte Bauwerke gesehen und sie untersucht. Auch wenn man keine sichtbaren Spuren fand, so wies die Art der Sprengung zumeist auf die Verursacher hin. So war es auch hier. Torsten würde es niemandem beweisen können, aber er war sicher, dass derjenige, der die Sprengladungen gelegt hatte, bei einer Armee ausgebildet worden war, höchstwahrscheinlich sogar bei der Bundeswehr. Diese Erkenntnis ließ das Blut schneller in seinen Adern pulsieren, denn er kannte nur einen Mann, der zu solch einer sauberen Arbeit fähig war – Hajo Hoikens. Der Kerl war auch verwegen genug, das zweite Minarett unter den Augen der Polizei zu sprengen.
Der Kreis begann sich zu schließen, und seine Hand wanderte fast von selbst zu dem Kolben der Sphinx AT 2000 S. Schnell ließ
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